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„Viseo+“ - RTL wird käuflich (2/2)

DVB-T und Pay-TV. Montage: Dehn Auf welche Schwierigkeiten das RTL-Projekt der Grundverschlüsselung via DVB-T und des RTL-Solos in Sachen MPEG-4 stößt, illustrieren Äußerungen von Fachleuten. Kurz vor dem offiziellen Start am 15. Oktober 2009 war der Handel eher pessimistisch. Auch die Gerätehersteller sehen keinen Markt in Viseo+, der für attraktive Stückzahlen ausreichen würde. RTL setzt hingegen weiter auf die längerfristige Zahlungsbereitschaft der Zuschauer und die Attraktivität der beiden Pay-Kanäle.

Viseo+
Viseo+ Das um-strittene RTL-Paket umfasst die freien Programme RTL, RTL2, SuperRTL und Vox und die Pay-Sender RTL Crime und Passion. Es wird unter dem Namen Viseo+ ab dem 15. Ok-tober 2009 in Stutt-gart, ab 7. Dezember 2009 in Halle und Leipzig, vermarktet.
Die Geräte werden samt freigeschalteter Zugangskarte für alle 6 Programme für 100 Euro verkauft. Für die beiden Pay-Sender („Viseo Extra“) muss man sich nach sechs Monaten für ein zwei-tes kostenloses Halb-jahr registrieren. Da-nach ist eine weitere kostenpflichtige (2,99 Euro monatlich) Re-gistrierung fällig.

Homepage Viseo+


Ein Vertreter der Handelskette Euronics bringt es auf den Punkt: „Nein, ich glaube nicht, dass es sich durchsetzen wird. Wenn ich mich selbst als Kunden sehe und ich erst vor etwas über einem Jahr eine Set-Top-Box gekauft habe, bin ich jetzt nicht schon wieder bereit, knapp hundert Euro auszugeben. Ich denke, in diesen Regionen werden die meisten Zweitgeräte mit DVB-T versorgt und dafür brauche ich nicht zwingend weitere Programme. Es gibt stärkere DVB-T-Regionen.“ Das Unternehmen rät nicht nur zum Abwarten bei der Kaufentscheidung. Es wäre „besser, wenn sich die Interessenten Gedanken machen über eine andere Empfangsart“.

Kritisch ist auch der Verbraucherschutz: DVB-T habe zu einer Renaissance der Antenne geführt, so ein Vertreter der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. „Die sogenannte 'Grundverschlüsselung' behindert generell die schnelle Verbreitung neuer Angebote“ und führe zu einer „Ungleichbehandlung der Zuschauer“, weil das Free-Bouquet von RTL anderswo unverschlüsselt gesendet wird.

Nur zwei Geräte in kleiner Stückzahl

Die eher vernichtende Urteile über die Marktchancen wird noch vertieft durch das magere Geräteangebot und geringe Bestellungen. Wenige Tage vor dem Start waren lediglich zwei Geräte bekannt, die für Viseo+ angeboten werden. Es handelt sich zum Einen um die Settopbox GER-300 T der Handelsmarke Zenega, die von der koreanischen Firma Handan produziert und von Forimex eK, Langen, importiert wird. Die Box hat nur einen Scart-Anschluß - was den parallelen Betrieb eines Recorders unmöglich macht. Einzige Extras sind ein Dolby-Anschluß und zuschaltbare Fernspeisung für Verstärkerantennen. Ähnliche spartanisch ausgestattete Geräte bekommt man schon für unter 25 Euro im Handel. Zwei Scarts und Cinch-AV-Anschlüsse sowie HDMI- und Dolby-Buchsen hat die zum gleichen Preis angebotene Box TF7700 HTCO von Topfield. Angesichts des Abgabepreises von je 99,95 Euro bleibt wohl noch genug vom Wegezoll für den Vertreiber Eutelsat und für RTL übrig. Dafür lagen nach Medienberichten nur etwa 150 Orders von wenigen Händlern im Stuttgarter Raum vor.

RTL und Visavison bezeichnen ihr Angebot als „Premium DVB-T“ und werben mit der „Vielfalt in DVB-T-Regionen, in denen wir uns bisher nicht beteiligen konnten“. Die beiden Pay-Kanäle stellten einen Mehrwert dar, „der auch jüngere Zielgruppen anspricht und damit den Verbreitungsweg weiter aufwertet“. Da aber Vielfalt wohl nicht ohne die in Stuttgart bereits empfangbaren öffentlich-rechtlichen Programme funktioniert, werden die in der Werbung für Viseo+ okkupiert: Mit ihnen wurde in der Online-„Programmübersicht VISEO+ für Stuttgart“ geworben, als seien sie ein Teil des Angebots. Beim Durchzählen der Sender, die man „mit Viseo+ über DVB-T empfangen“ konnte, mangelte es den Websitemachern allerdings an der Beherrschung der Grundrechenart Addition.

Was aber die Erfolgsaussichten betrifft, hält man sich zurück. „Wir werden uns aber natürlich die Akzeptanz des neuen DVB-T-Standards in den neuen Regionen ansehen und dann entscheiden, ob wir langfristig weitere Regionen auf die neue Technologie umstellen, um auch dort die Pay-TV-Sender anbieten zu können.“ Planungen, in den mit RTL-Programmen versorgten DVB-T Regionen auf die neue Technik umzusteigen, gebe es aber nicht.

Breitere Marktbasis durch CI+?

Bis Ende Januar 2010 sollen nur 2.000 Geräte und Zugangskarten verkauft worden sein. Dem laut Visavision-Geschäftsführerin Rutenbeck Anfang Februar 2011 „sehr hohen“ Akzeptanz, wozu wieder keine konkreten Zahlen kamen, sollte mittels ab März 2011 angekündigter CI+-Module aufgeholfen werden. Damit könnte das Nutzerpotenzial erweitert werden: Über die beiden Boxen hinaus wären dann aktuelle Fernsehgeräte, CI+-Schacht und MPEG-4 Codierung vorausgesetzt, für Viseo+ geeignet.

Grundverschlüsselung als Ausweg aus der Werbekrise?

Auch via Satellit ist RTL Pionier beim Wegezoll für den TV-Empfang für werbefinanzierte „Free-TV“-Programme. Fast zeitgleich starten RTL und Vox über Satellit mit der Astra-Vermarktungsplattform HD+. Aber da ist wenigstens noch ein Mehrwert zu erkennen: Es handelt sich ja um die HDTV-Ableger der beiden Sender. Diesen Nutzen sieht die Konkurrenz von ProSiebenSat1 offenbar ebenso und startete ihre HDTV-Programme im Januar 2010 ebenfalls über HD+.

Wie schon beim Kabel geht der Trend damit klar in Richtung Grundverschlüsselung. Die seit längerer Zeit zurückgehende Fernsehwerbung liefert Argumente dafür, nun auch mit „Free-TV“ dem Zuschauer in die Tasche zu greifen. Wie weit unterm Strich die Erkenntnis Platz greift, dass sinkende Werbeeinnahmen etwas mit der wirtschaftlichen Situation zu tun haben und dies Einfluß auf die Kaufkraft der Verbraucher hat, wird man in Zukunft sehen.

Ab etwa 2010 fuhren die Privaten übrigens wieder Rekordgewinne aus der Werbung ein. Damit wäre dieses Argument vom Tisch.

Update Ende 2012 / Frühjahr 2013

Ein gegenläufiger Trend begann sich ab 2012 abzuzeichnen: Zumindest für das Kabel sehen die Landesmedienanstalten die Grundverschlüsselung als Hemmnis des Digitalumstiegs. Die Netzbetreiber UnityMedia und KabelBW kündigten an, die privaten SD-Sender künftig digital uncodiert zu verbreiten.

Im Dezember 2012 sorgte ein Spruch des Bundeskartellamts für Bewegung, nachdem illegale Marktabsprachen der ProSiebenSat1- und der RTL-Gruppe festgestellt wurden. Neben einer Strafzahlung in Millionenhöhe einigte man sich, die Grundverschlüsselung digitaler SDTV-Programme via Kabel, Sat und IPTV für 10 Jahre zu stoppen. In der Folge schaltete Netzbetreiber Kabel Deutschland bis Mai 2013 (wohl eher notgedrungen) die Verschlüsselung von etwa 30 Programmen ab; diese Free TV-Kanäle sind damit wirklich frei empfangbar.

Update 2014: Das Ende von Viseo+, ein Anfang für Pay-TV

Seitens Visavision oder RTL wurden übrigens nie Kundenzahlen für Viseo+ bekannt gegeben. Ab 2013 waren zudem die beiden Settopboxen-Modelle nicht mehr erhältlich. Ersatz gab es nicht, das Neukundengeschäft wurde also beendet. Das, obwohl die RTL-Gruppe im Dezember 2013 erklärte, ihren im Januar 2013 bekannt gegebenen Rückzug aus DVB-T überdenken zu wollen. In den entprechenden Informationen aus dem Hause RTL wurde Viseo+ im Übrigen mit keinem Wort erwähnt. Beides lässt darauf schließen, dass Viseo+ keine Perspektive hat.

Screenshot Viseo+-Abkündigung Online Bestätigt wird das Aus für den Pay-TV Versuch von RTL im Juni 2014. Die Sendergruppe hatte die Fortführung ihres DVB-T Engagements für weitere zwei Jahre und Interesse an einer Pay-Plattform für HDTV-Programme via DVB-T2 angekündigt. Am Schluß der Pressemitteilung heisst es ohne weitere Erläuterungen: „Ausgenommen von der vorübergehenden Fortführung des DVB-T-Engagements sind die in einer anderen Technologie betriebenen Regionen Halle/Leipzig und Stuttgart.“ Viseo+ wurde demgemäss Ende 2014 abgeschaltet.

Damit kommt jedoch nicht das Ende für Pay-TV bei der terrestrischen Verbreitung - im Gegenteil. Denn mit dem Start von DVB-T2 ab Mitte 2016 kommen HDTV-Programme und die Privaten bekommen eine Plattform zur Grundverschlüsselung und Vermarktung dieser Programme. Dies ganz im Sinne von Frau Schäferkordt, die schon 2006 erklärt hatte: „Einen von drei Verbreitungswegen unverschlüsselt zu lassen, halte ich für wenig konsequent.“

Links:
Homepage
Viseo+.

dehnmedia-Meldung: Tschüß, Viseo+! vom 31.12.2014.
dehnmedia-Meldung: Aus für RTL/Viseo+ vom 3.6.2014.
dehnmedia-Meldung: ZAK zur Grundverschlüsselung im Kabel vom 6.7.2012.
dehnmedia-Meldung zum drohenden Scheitern von Viseo+ vom 21.7.2011.
dehnmedia-Meldung zur CI+-Einführung vom 4.2.2011.
dehnmedia-Meldung zum Verkaufsstand vom 27.1.2010.
dehnmedia-Meldung zum Start in Halle/Leipzig vom 20.11.2009.
dehnmedia-Meldung zu Händlerorders vom 14.10.2009.
DF-Interview Euronics vom 13.10.2009.
DF-Interview Verbaucherzentrale vom 13.10.2009.
DF-Interview RTL-Äußerungen vom 12.10.2009.
dehnmedia-Meldung zu Markt und Geräten vom 9.10.2009.
dehnmedia-Meldung zur Startankündigung vom 8.10.2009.
dehnmedia-Meldung zu RTL und MPEG-4/DVB-T vom 27.9.2009.
dehnmedia-Meldung zu RTL mit HD+ vom 5.6.2009.
dehnmedia-Meldung zur Position von ProSiebenSat1 vom 18.5.2009.
dehnmedia-Meldung zu RTL-Lizenz für Halle/Leipzig vom 1.5.2009.
dehnmedia-Meldung zu RTL auch für Halle/Leipzig vom 18.2.2009.
dehnmedia-Meldung zu RTL für Stuttgart vom 12.2.2009.
Rutenbeck-Interviews in Infosat am 11.2.2009 und DF am 17.2.2009.
ProSiebenSat1 zum RTL-Projekt bei Heise vom 12.2.2009.
dehnmedia-Meldung zur Ausschreibung für Halle/Leipzig vom 30.1.2009.
Abschlußbericht (pdf) der Taskforce DVB-T, Dezember 2008.

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