 DAB+: Überregional in Nordrhein-Westfalen (1/3) |  |
Ende Oktober 2021 soll das landesweite DAB+-Ensemble für NRW auf Sendung gehen - 16 Privatradios kommen nach langem Widerstand der Lokalsender ins Bundesland.Interessant sind die Vergabe des Plattformbetriebes und Strategien der Rundfunkpolitik im bevölkerungsreichsten Bundesland.
18 Programme wurden in zwei Schritten zugelassen. Weitere Interessenten standen in der Spur. Daher war die Medienanstalt LfM gefordert, ein „Verständigungsverfahren“ mit allen Beteiligten durchzuführen. „Ziel des Verständigungsverfahrens ist die einvernehmliche Aufteilung der Übertragungskapazitäten unter den Antragstellenden“, hatte die LfM in der Ausschreibung (und aufgrund des Medienrechts) den Bewerbern aufgegeben. Dass sich die drei Konkurrenten um die Plattform in nur drei Monaten auf ein gemeinsames Vorgehen einigen und Verträge vereinbaren konnten, überraschte.
Im Ergebnis konnte die Medienanstalt LfM die Plattform an die audio.digital.NRW GmbH vergeben, ein Tochterunternehmen des bekannten Sendenetzers Media Broadcast. Und: Die Kontrahenten Divicon Media und Uplink Network werden „für die Media Broadcast als Sendernetzbetreiberin der audio.digital NRW den vollständigen Betrieb der Sender übernehmen“. Damit waren offenbar auch die Programmveranstalter einverstanden, die sich beworben hatten. Erfahrungen mit solchen Kooperationen gibt es bereits. Dass Divicon rund die Hälfte der Sendeantennen für den Bundesmux 2 für Media Broadcast gebaut hat, mag die NRW-Entscheidung erleichtert haben.
Klotzen zum Sendestart
Gemeinsames Ziel wird es nun sein, bis zum 4. Quartal im Block 9D ein Sendenetz zu errichten, über das sofort „etwa 87% der Bevölkerung die neuen Programme zuhause empfangen können. Gleichzeitig werden etwa 92% der Fläche und 97% der Autobahnen in NRW für den mobilen Empfang ausgebaut sein“, sichert Media Broadcast zu. Auch diese Ankündigung erinnert an den Bundesmux2, dessen Betrieb im Oktober
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Divicon Media Herscheid, Siegen Süd, Minden, Bielefeld, Eggegebirge, Dortmund, Hochsauerland. 2022: Luegde.
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Uplink Network
Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln, Münster, Schöppingen, Wesel. 2022: Wuppertal.
Klickbare Grafik von Media Broadcast (7/21).
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2020 mit rund 70 Senderstandorten (davon neun in NRW gelegen) begann. Im Falle des landesweiten NRW-Ensembles zeigt die Karte 15 Senderstandorte, von denen aus die Versorgung im genannten Umfang gesichert werden soll. Acht dieser Standorte wird nach eigener Aussage Divicon aufbauen, betreiben und überwachen.
Zugleich wird der vom Bundesmux 2 geprägte Trend fortgeschrieben: Statt des längerfristigen schrittweisen Aufbaus des Sendernetzes wird schon zum Sendebeginn eine großflächige Versorgung gewährleistet. „Innerhalb von zwei Jahren ab Sendebeginn wird das Netz noch weiter ausgebaut werden.“ Laut einer weiteren Grafik sind für 2022 nur geringe Änderungen im Sendenetz zu erwarten, während 2023 die Standorte Lüdge und Wuppertal dazu kommen sollen.
Die zweite Überraschung ist der Umfang des Andrang der Interessenten, so dass das Ensemble zumindest theoretisch ab dem Sendestart komplett füllen könnte. Könnte - denn einige der zehn extra zugelassenen Programme standen zum Zeitpunkt der Zulassung Ende Mai 2021 nur auf dem Papier und bedürften sicherlich umfangreicher Vorbereitungen. Zugelassen sind laut LfM folgende 16 Programme:
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RadioNRW musste die Geheimnistuerei um sein landesweites Programm einschränken. Das Programm heißt Mydio, jedoch wird das Konzept immer noch unter dem Deckel gehalten. |
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Der Regionalisierungs-Schritt des Berliner Schlagersenders ist konsequent. Die Besetzung regionaler Sendegebiete ersetzt die Präsenz in bundesweiten Ensembles. |
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Auch die Energy-Gruppe plant ein Landesprogramm. Die Gruppe betreibt neben einem bundesweiten Digitalsender sieben Lokalableger, die meisten in DAB+-Stadtmuxen. |
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Das christlich orientierte Radio Paradiso sendet bisher digital in Berlin und Hamburg. Für NRW soll eine regionale Programmgesellschaft gegründet werden. |
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Sportradio Deutschland bereitet für Mitte 2020 den Sendestart im Bundesmux 2 vor und kündigt eine NRW-Regionalisierung an, die in Düsseldorf produziert werden soll. |
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Hinter der Top Media NRW steht der Augsburger Radiomann Peter Valentino. Das Programm soll Mega Schlager NRW heißen. |
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The Radio Group (Frankfurt/Main) betreibt zahlreiche Lokalradios in mehreren Bundesländern. Radio Germany One bekam 2019 in Berlin die Zulassung als englischsprachige Welle für Touristen. |
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Die Radio-Gruppe FFN aus Niedersachsen kann südlich des Stammlandes ihr Radio Bollerwagen aus dem Web in die Luft bringen. |
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NiedersachsenRock21 kündigt mit Radio 21 NRWs bester Rock'n Pop einen regionalen Ableger des Musikprogramms an. |
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Der in Potsdam beheimatete Kindersender betreibt bereits einen Stream für NRW und ist in mehreren Bundesländern über DAB+ zu empfangen. |
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Die Radiogruppe aus Bayern will in NRW mit zwei Formatradios um Hörer werben. Im Vorfeld der Zulassung wurden die Marken Charthitradio.nrw und Kulthitradio.nrw registriert. |
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| Weitere Bewerber, die über Zulassungen verfügen: |
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Obwohl mit den beiden Hauptprogrammen im zweiten Bundesmux vertreten, setzt auch Antenne Bayern seine Ausdehnung in andere Bundesländer fort. In einer zweiten Entscheidung wurde Antenne NRW im Juni 2021 zugelassen. |
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Spekulationen betreffen ein zweites Programm von RadioNRW, das ebenfalls im Juni 2021 zugelassen wurde. Der Titel Noxx deutet auf das bisherige Nachtprogramm, dass den Lokalradios zugeliefert wird. Ob Mydio dadurch ersetzt wird, bleibt zu dem Zeitpunkt offen. |
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Am Stammsitz in Berlin bewarb sich auch diese Geschäftsleitung in der ersten Runde für das Bundesland NRW, um in diesem attraktiven Radiomarkt einen Regionalsender auf DAB+ aufzubauen. |
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Ohne Details wird Teutocast genannt, das im NRW-Mux schon mit Sportradio NRW und im zweiten nationalen DAB+-Mux mit dessen bundesweitem Mutterkanal sowie zwei weiteren Spartenkanälen vertreten ist. |
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Im August 2021 gab der Münchner Sender die Zuweisung einer Übertragungskapazität im NRW-Landesmux für 10 Jahre bekannt. |
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| Aussteiger vor Sendebeginn: |
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Der DAB+-Pionier unter den NRW-Privatradios war aufgrund der Teilnahme am vorherigen Pilotprojekt für den Regelbetrieb gesetzt. Das Erzbistum Köln und dessen Partner sehen sich jedoch nicht in der Lage, einen zehn Jahre laufende vertragliche und Kostenbindung einzugehen. |
Bemerkenswert an dieser Belegung ist, dass nur ein Veranstalter mit originären NRW-Wurzeln dabei sind: Nach dem Ausstieg von Domradio ist das nur RadioNRW mit zwei angemeldeten Programmen. Im eigenen „Heimatland“ nicht dabei ist der LGBT-Sender Lulu FM, der einen Kölner Lokalsender über UKW plant. Auch Mehr!Radio, ausgestattet mit einer landesweiten Zulassung für DAB+ fehlt. Dieses Unternehmen peilt eine regionale Plattform für Düsseldorf an, die möglicherweise mit der von der LfM als nächsten Schritt angekündigten regionalisierten landesweiten Abdeckung kommen könnte.
Das Programmangebot - auswärtige Anbieter platzieren sich in einem Millionen-Markt
Unterm Strich ist die Belegung letztlich von Einigungen der Veranstalter mit dem Plattformbetreiber audio.digital NRW abhängig. Dieser gab Ende August acht erste Abschlüsse bekannt. Mitte Oktober 2021 wurden zehn Sender genannt, die zum Start on air gehen. Der spätere Start wurde für die anderen Programme angekündigt, so dass der Mux voll belegt ist.
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Hinweis: Obere Reihe: Sendestart am 29.10.2021. Zound1-Stationen ab 2.5.2022. Femotion statt Sportradio ab 12.5.22. |
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Diese Liste bestätigt den Trend, dass Programmanbieter aus anderen Bundesländern - hauptsächlich aus Bayern und Niedersachsen - mit Inhaltsbezügen zu und Tochterfirmen in NRW auf den attraktiven Radiomarkt im bevölkerungsstärksten Bundesland drängten. Der Hörfunk hat ohnehin ein wesentlich regional geprägtes Geschäftsmodell, so dass sich viele der o.g. Beteiligten durch NRW-Töchter und Zusagen über regionale Bezüge der Sendungen die Präsenz in einer neuen Region sichern konnten.
Das unterstrich Raudio.Biz, die Vermarktungstochter der mit drei Radios beteiligten Leipziger Firma Teutocast noch am Tag der Start-Bekanntgabe. Deren NRW-Geschäftsführer Jan-Uwe Brinkmann erklärte: „Die neue DAB+ Plattform bedeutet für NRW das Ende des mehr als 30 Jahre währenden Duopols aus WDR und Zeitungsverleger-Lokalfunk“, spielt er zunächst auf die anhaltende DAB+-Blockade aus dem Bereich an. Brinkmann weiter:
| Endlich wird nun auch in NRW ein echter Hörfunkmarkt mit attraktiven landesweiten Anbietern und Wettbewerb im Privatfunk entstehen. Nach Schätzungen von Marktbeobachtern liegen hier bis zu 100 Millionen Euro Werbegelder pro Jahr brach, weil die bisherige politisch gewollte Hörfunklandschaft keine entsprechenden Werbeflächen anbieten konnte. Das werden wir und die anderen Plattformprogramme mit unseren landesweiten Angeboten nun ändern. Insofern öffnet der DAB+ Programmstart in NRW einen neuen Multimillionen-Markt. |
Die erst 2020 gegründete Firmengruppe Teutocast wird - wie andere etablierte größere Veranstalter, die (im Gegensatz zu Teutocast) möglicherweise nationale Verbreitungspläne nicht realisieren konnten - zunehmend außerhalb ihrer Heimat-Bundesländer aktiv. Forderungen der Medienanstalt LfM nach Inhalten mit NRW-Bezug schienen dem zunächst nicht entgegen zu stehen. Es zeigte ich aber schon Anfang Mai 2022, also schon gut ein halbes Jahr nach dem Sendestart, dass nicht jede Idee fürs Regionale funktioniert: Teutcast ersetzte seinen Spartenkanal Sportradio NRW durch sein Frauenprogramm Femotion, das offenbar im Bundesmux 2 nicht ausreichend funktionierte.
Wer macht Platz für NRW1?
Zudem haben Radio NRW und Antenne Bayern zwei große Vertreter der Radiobranche einen Extraplatz in einer interessanten Allianz: Ab dem Sommer 2022 soll Ein Gemeinschaftskanal bekam im März 2022 den Zuschlag für die erste landesweite UKW-Senderkette der Privatradios in NRW. Inzwischen wurde der Arbeitstitel Radio 345 durch den Stationsnamen Radio NRW1 ersetzt und der Sendestart - zunächst terrestrisch wohl nur über UKW - für den 1. September 2022 angekündigt. Bekannt sind folgende Partner des neuen landesweiten NRW-Radiosenders der NRW Audio GmbH & Co. KG:
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24,5 Prozent |
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Antenne NRW GmbH & Co. KG |
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24,5 Prozent |
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radio NRW GmbH |
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9,0 Prozent |
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ffnrw GmbH |
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7,0 Prozent |
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NiedersachsenRock 21 GmbH & Co. KG |
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7,0 Prozent |
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Kiss FM Radio GmbH & Co. KG |
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6,5 Prozent |
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Metropol FM GmbH |
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6,0 Prozent |
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Radio Teddy GmbH & Co. KG |
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6,0 Prozent |
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Rock Antenne GmbH & Co. KG |
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5,0 Prozent |
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Studio Gong NRW GmbH & Co. Studiobetriebs KG |
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3,5 Prozent |
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Arabella NRW GmbH & Co. KG i. G. |
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3,0 Prozent |
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Plattform für regionale Musikwirtschaft GmbH |
Mit einiger Spannung wird der Start auf DAB+ erwartet, der möglicherweise mit erheblichem Nachlauf zu UKW stattfindet. Denn der DAB+-Landesmux NRW ist komplett belegt. Und es ist wohl kaum zu erwarten, dass ein am neuen Kanal nicht beteiligtes Programm zugunsten eines Konkurrenzsenders aufgegeben wird. Eine Einstellung dürfte nur geschehen, wenn ein Programm nicht gut genuig funktioniert (erinnert sei an das abgeschaltete Sportradio NRW).
Letztlich wird sich wohl eines der involvierten Unternehmen sich zugunsten des Gemeinschaftsprojektes zurücknehmen. Oder geben alle ein paar ihrer CUs ab? Man darf gespannt sein.
Und die Lokalradios?
Den 44 NRW-Lokalradios beschert diese Strategie eine Fülle neuer Wettbewerber mit Potenzial gerade auch für regionale Inhalte. Einzig RadioNRW, das Gemeinschaftsunternehmen der NRW-Zeitungsverlage, kann da mithalten und tritt die Flucht nach vorne an. Ob dieser Zulieferer von Werbung und Rahmenprogramm für die NRW-Lokalradios schlußendlich mit seinem landesweiten Jugendsender NOXX am Ende gar Hörer nimmt, bleibt abzuwarten. Mehr Programme heißt ja nicht, dass länger Radio gehört wird. Zu erwarten ist also eine Umverteilung der Hördauer auf mehr und andere Sender.
Die Zeitungsverlage als wirtschaftliche Träger der Lokalradios scheinen allerdings zu glauben, dass ihr gesetzlich gesichertes monopolistische Geschäftsmodell erhalten werden kann, in dem man DAB+ vehement ignoriert und auf UKW beharrt. In dem Glauben, eine künftige Verbreitungstechnik könnte das Geschäftsmodell vielleicht noch zu ihren Gunsten optimieren. Die Landesmedienanstalt hatte die Lokalradios gemahnt, nun endlich ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Sonst „können weder die gesetzlichen noch wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Erklärung von Schwierigkeiten und Problemen glaubhaft herangezogen werden“.
Wie sagte doch gleich Herr Gorbatschow?
Zweite - regionalisierte - landesweite Abdeckung ist geplant
Als nächsten Schritt kündigte die Medienanstalt LfM eine zweite landesweite Bedeckung an. Diese soll für fünf oder sechs Gebiete regionalisiert sein. Ausschreibungen sollen erfolgen, sobald die Bundesnetzagentur die benötigten Frequenzen zugeordnet hat.
Things to come ...
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