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Hybridtuner schaffen Druck auf Privatradios (1/2) | |
Erst nach langem Widerstand und als eine EU-Vorgabe „drohte“ kam die deutsche Bundespolitik in Gang: Im Oktober/November 2019 verabschiedeten Bundestag und Bundesrat die 6. Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Diese geht über die Vorgaben der EU hinaus. Letztlich schrieb man aber nur fest, was längst Alltag im Handel ist. Wirksam wurde diese Hybridtuner-Pflicht am 21. Dezember 2020.
Unter dem Schlagwort der Interoperabilität der Rundfunkempfänger finden sich zwei Erweiterungen des TKG. Absatz 4 folgt der Vorschrift des European Electronic Communications Code (EECC) der EU. Der ebenfalls neue Absatz 5 greift auf, dass die EU weitere Regelungen offen lässt und erweitert das Spektrum der mit hybrider Empfangstechnik auszustattenden Radioprodukte.
Die Produktlisten dieser Website geben bereits lange vor der Verabschiedung des Gesetzes im Oktober 2019 einen Eindruck davon, dass ein Großteil der lieferbaren Radios mit Sendernamens-Anzeige ausgestattet und für UKW wie DAB+ geeignet ist. Von daher rennt die TKG-Novelle längst geöffnete Türen ein.
Hier zunächst die beiden neuen, die Radiogeräte betreffenden, Absätze des TKG-Paragraphen 48 des TKG im Wortlaut:
Abs. 4 |
Jedes Autoradio, das in ein neues für die Personenbeförderung ausgelegtes und gebautes Kraftfahrzeug mit mindestens vier Rädern eingebaut wird, muss einen Empfänger nach dem jeweiligen Stand der Technik enthalten, der zumindest den Empfang und die Wiedergabe von Hörfunkdiensten unmittelbar ermöglicht, die über digitalen terrestrischen Rundfunk ausgestrahlt werden.
Bei Empfängern, die den harmonisierten Normen oder Teilen davon entsprechen, deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind, wird die Konformität mit der Anforderung in Satz 1, die mit den betreffenden Normen oder Teilen davon übereinstimmt, angenommen.
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Abs. 5 |
Jedes für Verbraucher bestimmte, erstmalig zum Verkauf, zur Miete oder anderweitig auf dem Markt bereitgestellte, überwiegend für den Empfang von Ton-Rundfunk bestimmte Radiogerät, das den Programmnamen anzeigen kann und nicht Absatz 4 unterfällt, muss einen Empfänger enthalten, der zumindest den Empfang und die Wiedergabe digitaler Hörfunkdienste ermöglicht.
Davon ausgenommen sind Bausätze für Funkanlagen, Geräte, die Teil einer Funkanlage des Amateurfunkdienstes sind und Geräte, bei denen der Hörfunkempfänger eine reine Nebenfunktion hat.
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Das TKG nennt für die Sendetechnik keinen bestimmten Standard ausdrücklich. Die Hinweise auf den „digitalen terrestrischen Rundfunk“ und „harmonisierte Normen“ der EU-Länder verweisen aber eindeutig auf DAB+. Für Heimgeräte ist auch Webradio denkbar. Unterwegs kann diese Empfangsart nur mittels Mobilfunk empfangen werden, was - im Gegensatz zu DAB+ - zusätzliche Kosten verursacht.
Was bedeutet das in der Praxis?
Wirksam wird das Gesetz für neuwertige Produkte, die ab dem 21. Dezember 2020 in den Handel kommen bzw. vorher bestellte Produkte, die an den Kunden ausgeliefert werden. Das betrifft folgende Produktgruppen:
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Gemäß der EU-Richtlinie 2018/1972 sind alle Autoradios neuer PKWs der Klasse M, die ab Werk eingebaut werden, neben UKW mit einem digitalen Tuner auszustatten. Diese Fahrzeugklasse umfasst PKW sowie Wohnmobile, Busse und Kranken- und Rettungsfahrzeuge. Folglich betrifft das auch Vans und SUVs.
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Das betrifft alle Autoradios mit Anzeige des Programmnamens, die neu zum nachträglichen Einbau angeboten werden.
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Heim- und portable Radiogeräte sowie Autoradios zum nachträglichen Einbau, die im Display den Namen des eingestellten Senders im Klartext anzeigen, benötigen digitalen Empfang mit DAB+ oder Webradio bzw. eine Kombination beider mit UKW. Den Sendernamen zeigen im Übrigen die UKW-Radios mit dem Radio Daten System RDS bereits an.
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Keine „Gnadenfrist“ gibt es für den Abverkauf von Altbeständen durch den Handel. Es ist also davon auszugehen, dass Displayradios, die nur UKW empfangen, am Stichtag aus den Regalen verschwinden.
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Nicht betroffen sind: |
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Das Gesetz gilt ausdrücklich für Neuware. Der Handel mit Gebrauchtgeräten - privat wie kommerziell - ist möglich.
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Ausdrücklich ausgenommen sind Funk-Produkte, bei denen der Radioempfang nur eine Zusatzfunktion darstellt. Das betrifft zum Beispiel Smartphones.
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Perspektiven: |
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Sollte irgendwann einmal ein 5G-Radiomodus oder eine andere digitalterrestrische Sendetechnik relevant werden, wäre auch das eine potenzielle Ausstattungsmöglichkeit. Wird diese Technik in die EU Normenliste aufgenommen, müsste das TKG nicht geändert werden.
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Weil sowohl UKW- als auch Digitaltuner verbaut werden ist zugleich klar, dass kein Verbraucher ab Dezember 2020 auf den UKW-Lieblingssender verzichten muss. Es ist wohl nicht davon auszugehen, dass die letzte Bastion der analogen Medienverbreitung - das UKW-Radio - kurzfristig abgeschaltet wird. Daher macht die analog-digitale Tunerkombi Sinn, bis UKW verzichtbar wird.
Hybridradios und Programmangebot stimulieren sich gegenseitig
27 europäische Staaten müssen die EU-Vorgabe für Autoradios kurzfristig umsetzen. Das wird sogar das aus dem Staatenbund ausgetretene Großbritannien übernehmen. Im Handel wird allenfalls das Regal mit „UKW-only“-Produkten kürzer und es werden noch mehr DAB+/UKW-Kombis als bisher angeboten. Das wird die Stückzahlen hochtreiben, auch wenn ein Aufpreis für den DAB+-Empfang (über den Aufpreis für die Radioanlage hinaus) nicht feststellbar sein wird.
Welchen Einfluß die höheren Stückzahlen wiederum auf die Verkaufspreise haben, ist schwer vorauszusagen. Das hängt auch von internationalen Aspekten ab. Denn Radios werden schon nicht mehr für einzelne Länder entwickelt und produziert. Die Produkte sollen hohe Stückzahlen erreichen, indem sie in ganz Europa vermarktet werden können. Das soll zugleich auch eine günstige Preisgestaltung ermöglichen.
Der ohnehin bestehende Trend zu DAB+ in den großen Märkten Deutschland (22,7 Prozent Haushaltsausstattung Mitte 2019), Frankreich und (Ex-EU Mitglied) England könnte dort die Verkaufszahlen für hybride Radios forcieren. Gleiches gilt für die Schweiz, die UKW bis Anfang 2023 abschalten will und für Norwegen, das diesen Schritt schon getan hat. In Italien gilt die Hybridradio-Pflicht übrigens schon seit dem 1. Januar 2020.
Deutschland wird sicherlich weiterhin vorne beim Abverkauf mitspielen. Die TKG-Novelle schafft endlich einen Umstiegs-Druck auf die noch abseits stehenden UKW-Radioveranstalter. Das deutete sich schon vor der Verabschiedung im Bundestag an: Ende 2019 sind zahlreiche Aktivitäten angelaufen, um weitere regionale und lokale Privatradios auf DAB+ zu bringen. Sogar Nordrhein-Westfalen soll einen landesweiten Mux bekommen. Der zweite Bundesmux, der seit Oktober 2020 mit zunächst 8, später 16 Programmen sendet, wird auch dem Geräteabsatz Auftrieb geben.
Weitere Informationen:
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