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Zankapfel Radiodigitalisierung (3/3)

DABplus-Logo Schriftzug Es zeigte sich allerdings, dass die privaten Interessenten am nationalen DAB-Multiplex sich nicht ohne Weiteres mit dem Netzbetreiber Media Broadcast über die Verbreitungskosten einigen konnten. Die Landesmedienanstalten griffen ein und moderierten die Verhandlungen.

Die Gespräche begannen im Frühjahr 2010. Anfang Juli 2010 konnte eine Einigung über das technische Netzkonzept erreicht werden. Kurz zuvor hatte die KEF die Bedingungen für die Freigabe der DAB-Mittel für ads Deutschlandradio und die ARD-Anstalten bekannt gegeben. Sollten Verbreitungsverträge zustande kommen, könnte das bundesweite Digitalradio mit DABplus tatsächlich ab 2011 auf den Weg gebracht werden.

Schwierige Verhandlungen

Ein weiterer Verhandlungstermin Mitte Juli über die Verbreitungskosten blieb ohne Ergebnis. Neben den o.g. finanziellen Forderungen stehe auch die Vertragsbindung auf vier Jahre in der Kritik, so Medienberichte. Nachdem alternative Anbieter nicht in Fragen kommen, kann man da nur spekulieren, dass die sechs privaten Radioanbieter ihrem eigenen Projekt selbst wohl nicht so ganz über den Weg trauen. Angeblich fordern sie in den Verhandlungen, dass die Verbreitungskosten zunächst minimal erhoben werden und erst mit wachsender Akzeptanz steigen sollen. Während der IFA 2010 wurde zudem gefordert, die DAB-Einführung für die Privaten mit 440 Mio. Euro aus dem Erlös der Digitalen Dividende zu fördern.

Weder bis Ende August noch bis Ende September 2010 kam es zu einer Einigung über die Streitpunkte. Die KEF kam den Streitenden mehrfach entgegen und verlängerte die Äußerungsfrist zuletzt bis zum 15. Dezember 2010. Warum die KEF so den „Weg frei gemacht (hat) für die Einführung eines modernen digitalen Hörfunks in Deutschland“ bleibt unklar. Mit diesen Worten hatte Gerd Bauer, Hörfunkbeauftragter der Landesmedienanstalten und Direktor der saarländischen Landesmedienanstalt (LMS), die neuerliche Verlängerung der Gnadenfrist begrüßt.

Einigung im letzten Moment

Noch kurz vor Toresschluß am 15. Dezember 2010 wurden eine Verschiebung der Vertragsunterzeichnung sowie eine Deckungslücke von möglicherweise 8 Mio. Euro. gemeldet. Dennoch wurden die Verbreitungsverträge buchstäblich „auf dem letzten Drücker“ am 15. Dezember 2010 unterzeichnet.

Dies war einerseits die Voraussetzung für die Landesmedienanstalten, die bis dahin beantragten sieben Programm-Lizenzen zu erteilen und die noch freien drei Sendeplätze auszuschreiben. Zum Anderen sah die KEF in einer Entscheidung vom 23. Februar 2011 ihre Forderung nach „hinreichender Erfolgsaussicht der Projekte nach derzeitiger Sachlage erfüllt“ und hob die Mittelsperrung über 36 Mio. Euro auf. Damit ist der Weg für die Teilnahme der drei Stationen von Deutschlandradio am nationalen DAB/DABplus-Multiplex frei. Dieser geht am 1. August 2011 auf Sendung.

Die bereits lizensierten Privaten gründeten zugleich mit der Digitalradio Deutschland GmbH eine Marketing-Gesellschaft. Diese schloß mit dem Chip-Hersteller Frontier Silicon im Februar 2011 eine Vereinbarung. Auch vom Radiohersteller Pure wurde PR-Unterstützung signalisiert: Man wolle die Einführung „tatkräftig unterstützen“ und dafür die gesamte Produktpalette in den Handel bringen. Auch die ARD will sich am Marketing beteiligen und schlug vor, gemeinsame Zusatzdienste zu entwickeln.

Programme und Frequenzen: Der nationale Multiplex und DAB+ in den Bundesländern.

Nationaler Multiplex muss durch weitere Programme flankiert werden

Mit der Unterzeichnung der Verbreitungsverträge für den bundesweiten Multiplex ist nur ein erster Schritt auf dem - wie man seit Jahren beobachten kann äußerst steinigen - Weg der Radiodigitalisierung getan. Es bleibt die Frage, ob die national verbreiteten Programme samt Zusatzdiensten wirklich attraktiv genug sind, um den Geräteverkauf wirksam anzuschieben und dem digitalen Hörfunk mit DABplus eine für Programmanbieter wie Hersteller wirtschaftlich tragfähige Marktpräsenz zu verschaffen.

Für ein attraktives Angebot sind über den bundesweiten DAB+-Block hinaus landesweite, regionale und lokale Programme notwendig - öffentlich-rechtliche wie private Radios. Letztlich geht es hier um einen analog-digitalen Simulcast, verbunden mit der schrittweisen Aufgabe der analogen Radio-Ausstrahlung per UKW. Daneben wächst die Attraktivität der neuen Technik mit den neuen Dienstleistungen. Kritisch bleibt die ablehnende Haltung der großen privaten Radioanbieter im VPRT gegenüber DAB/DABplus.

Zudem wird es natürlich auf ein umfangreiches Angebot an Geräten für verschiedene Einsatzszenarios - also z.B. im Auto, mobil, portabel und zuhause (HiFi-Komponenten und -Anlagen, Küchenradios etc.) sowie Computerempfänger - ankommen. Hilfreich ist dabei, dass die neuen DABplus-Radios auch für den Empfang der schon aktiven DAB-Sender (sowie in der Regel des analogen UKW-Hörfunks) geeignet sind. Die Radiohörer müssen also auf kein Programm verzichten. Der Gesetzgeber will das Multituner-Konzept festschreiben: Ein Digitalradio-Fördergesetz soll festlegen, dass alle Radios ab 2013 (Autoradios der Erstaustattung ab 2014) einen Digitaltuner haben müssen.

DAB+-Geräte in der dehnmedia-Datenbank.

Nur im Zusammenwirken dieser Faktoren kann DAB/DABplus seinen in den letzten zehn Jahren erworbenen Ruf beseitigen, „Dead And Buried“ zu sein. Die Entscheidung, ob DAB/DABplus (zugegeben nicht gerade aktuelle Techniken) sich dauerhaft etablieren, wird am Markt getroffen.

DAB+ ist hybrid
„Wir haben es hier – was die Verbreitungs-situation angeht – mit keiner Konkurrenz-situation, sondern einander ergänzenden Vertriebswegen zu tun. Digitalradio via Internet ist dort gut, wo es eine stabile IP-Verbindung gibt. Digi-talradio über Terre-strik ist unentbehrlich, um unsere Programme und Marken überall modern und zeit-gemäß sicher zu verbreiten. Die Vision heißt hier „hybrid“. Das bedeutet, es gibt mehrere Wege zum Hörer.“

Prof. Ulrich Reimers. Foto: Dehn Michael Rei-chert, Leiter des nationalen Projektbüros Digitalradio.
Quelle: Projektbüro.
Konkurrenz für die Radioterrestrik - nicht nur aus dem Internet

Zudem hat sich die Konkurrenz längst etabliert: Für den VPRT hat die seit 15 Jahren verpaßte Chance zur Digitalisierung des Hörfunks Platz für das Internet als neue Verbreitungsplattform geschaffen. Und zwar nicht nur für den stationären, sondern auch für den mobilen und portablen Empfang z.B. mit Smartphones bzw. über Heim-WLANs. Das nahm die Bayerische Landesmedienanstalt zum Anlass für ein Pilotprojekt. Neuartige „Hybrid-Radios“ sollen automatisch auf die optimal zu empfangende terrestrische Variante (UKW oder DAB) eines Webradios umgeschalten, soweit diese vor Ort verfügbar ist. So könnten die Webkosten, die mit wachsenden Nutzerzahlen erheblich ansteigen, reduziert werden. Ganz nebenbei soll damit der Terrestrik zu einem Aufschwung verholfen werden.

Die Landesmedienanstalten verschliessen sich darüber hinaus alternativen terrestrischen Übertragungstechniken nicht. Zwar sind DMB und DVB-H als Verbreitungsplattformen für das Fernsehen (und damit auch entsprechende Perspektiven für das Radio) nicht nur in Deutschland bisher gescheitert. Und über DVB-T ist der Hörfunk bisher nur die Ausnahme (in Berlin und Leipzig). Jedoch drängen sich neuere technische Entwicklungen der Hörfunk-Terrestrik in den Vordergrund. Dabei spielen Übertragungsformate wie DRM/DRMplus eine Rolle, die durchaus auch für eine Digitalisierung des UKW-Bandes geeignet sind. Man darf nicht vergessen, dass UKW - mit den dort auf regionaler Ebene verbreiteten mehr als 30 Programmen und den Millionen vorhandenen Geräten - noch auf lange Zeit attraktiv sein wird.

Links zum Thema:
dehnmedia-Meldung zur Mittelfreigabe durch die KEF vom 24.2., Statement Steul vom 23.2.2011.
dehnmedia-Meldung zur Vertragsunterzeichnung vom 15.12.2010.
dehnmedia-Meldung zum ARD-Angebot gemeinsamer Dienste vom 13.12.2010.
dehnmedia-Meldung zum Engagement von Frontier Silicon vom 8.12.2010.
dehnmedia-Meldung zur Verschiebung der Vertragsunterzeichnung vom 14.12.2010.
dehnmedia-Meldung zur Fristverlängerung vom 28.9.2010.
dehnmedia-Meldung zu DAB auf der IFA 2010: Streit ums Geld und Millionenforderung der Lobby.
dehnmedia-Meldung zum 2. Verhandlungstermin vom 27.7.2010.
dehnmedia-Meldung zur Einigung über das Sendenetz vom 2.7.2010.
dehnmedia-Meldung zu Bedingungen der KEF für die Mittelfreigabe und KEF-Presseinfo vom 25.6.2010.
dehnmedia-Meldung zum Stand des bundesweiten DAB-Multiplexes vom 26.4.2010.

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