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DAB+: Privatradios in Mecklenburg-Vorpommern (2/2)

Digitalradio-Schriftzug ab 5/2107 In Mecklenburg-Vorpommern bevölkern nur 69 Einwohner einen Quadratkilometer Fläche. Es ist das am Dünnsten besiedelte Bundesland und daher die für digitalterrestrische Medien wirtschaftlich am wenigsten attraktive Gegend Deutschlands.

Denn die Sendekosten pro Einwohner sind extrem hoch. Das hatte sich schon bei DVB-T gezeigt, wo landesweit nur acht Programme über zwei Multiplexe ausgestrahlt wurden, während überall anders mindestens drei Multiplexe sendeten.


Mecklenburg-Vorpommern: Programmangebot | Nationale Muxe | Chronik


Noch schlechter ist die Ausgangslage für den Hörfunk. Ostseewelle und Antenne MV sind die einzigen landesweit über 13 bzw. 10 UKW-Sendestandorte verbreiteten Privatradios. Die anderen sechs UKW-Sender wurzeln außerhalb des Bundeslandes und konzentrieren ihre Sendegebiete auf die Städte Schwerin, Rostock und/oder Stralsund. Dazu gibt es noch Ausbildungsradios und Offene Kanäle, für die wohl nur eine lokale Verbreitung in Frage käme.

Kein digital-terrestrischer Privatfunk ohne Fördermittel

Es wundert kaum, dass die Landesmedienanstalt erst spät - im Herbst 2017 - einen „Call for Interest“ bekannt gab. Das Feedback war erwartungsgemäß gering: Die landesweiten Programme Ostseewelle und Antenne MV und vier weitere Stationen sowie ein Interessent für eine Sendeplattform beteiligten sich. Ganz entmutigend kann das Echo aber nicht gewesen sein, denn die Medienanstalt bestätigte, dass sie einen Privatmux für finanzierbar halte. Eine Ausschreibung könnte noch 2017 erfolgen, hieß es dennoch überraschend.

Das wurde wenig später relativiert. Wie in anderen Bundesländern erschallte der Ruf nach einer Förderung der Sendekosten. Sonst würden sich die Privatradios nicht beteiligen. Sei das gesichert, könne ein Modellprojekt folgen, hieß es im März 2018. Dabei räumte Bert Lingnau, Direktor der Medienanstalt, regionalisierten Muxen für Rostock, Schwerin, Stralsund/Greifswald und Neubrandenburg deutlich bessere Aussichten ein, als einem landesweiten Sendenetz.

Anfang 2019 zeigten sich unterschiedliche Einschätzungen der Privatradios. Antenne-Geschäftsführer Robert Weber bewertete „DAB+ als einen absolut relevanten Verbreitungsweg für unsere Inhalte, der zukünftig genauso wie das Streaming an Bedeutung gewinnen wird“. Er wolle „DAB+ baldmöglichst unseren Hörern anbieten“. Der Wettbewerber Ostseewelle beschrieb DAB+ hingegen „verzichtbare Übergangstechnologie“, und Geschäftsführer Sperke setzte einen „fünfstelligen Betrag pro Jahr“ für den Simulcast an.

Radios fordern Politik zum Handeln auf

Entsprechend herrschte beim Thema Fördermittel Einklang: Weber erwartet „eine politische Vision“ der Landespolitik und „finanzielle Weichenstellungen für das öffentliche Gut 'Hörfunk'“. Sperke verlangt, die Privatradios „nicht mit den zusätzlichen Kosten z.B. für die DAB+-Verbreitung allein sitzen lassen“. Er winkt mit dem Zaunpfahl: „Es gibt Bundesländer, in denen das DAB+-Engagement gefördert wird.“

Bislang wurde keine Reaktion der Landesregierung bekannt. Anhand der im Digitalisierungsbericht Audio 2019 der Landesmedienanstalten ermittelten Haushaltsausstattung mit DAB+-Radios wird aber eine positive Entwicklung deutlich. Dort werden die Zahlen für die NDR-Länder und Bremen - also den gesamten Norden Deutschlands - zusammen gefaßt. Die Haushaltsausstattung mit DAB+-Radios wird mit 21 Prozent angegeben. Das liegt zwar unter dem Bundesdurchschnitt. Es ist zwar zu berücksichtigen, dass das Fehlen privater Radios auf und unterhalb der Landesebene in den drei NDR-Flächenländern den Durchschnitt drücken dürfte. Festzustellen ist aber auch, dass sich der Wert seit 2016 verdoppelt hat bzw. allein von 2018 auf 2019 um 39 Prozent gestiegen ist.
DAB+-Ausstattung.
Grafik: Digi-Bericht Audio 2019 (klicken zum Vergrößern).

Man sehe allein schon durch die Urlauber einen Bedarf, jedoch stellten die Kosten eine „Hemmschwelle“ dar, hieß es aus der Medienanstalt. „Wir streben weiterhin Landesmittel für einen privaten DAB+-Multiplex an“, denn die Medienanstalt könne das nicht leisten. Weil entsprechende Gesetzesänderungen aber gar nicht erwartet werden, könne im Februar 2019 „nicht seriös eingeschätzt werden, wann ein privater DAB+-Multiplex in M-V startet“. Daran hat sich bis zum Herbst 2019 niichts geändert. Es besteht weiter keine Aussicht auf einen Privatradio-Mux in Mecklenburg-Vorpommern.

2021: Wenn nicht landesweit, dann wenigstens regional?

Die Frage liegt im März 2021 nahe. Kurz zuvor hatte der Medienausschuß der Medienanstalt Mecklenburg-Vorpommern (MMV) den Block 10A als verfügbar ausgemacht. Ende Februar 2021 befaßte sich das Gremium mit der „Feststellung einer DAB+-Übertragungskapazität für den Großraum Rostock“ und veranlasste eine Anhörung der Rundfunkanbieter. „Kommt es hier zu keinem begründetem Einspruch, wird es zur Ausschreibung kommen“, wird die MMV zitiert.

Hintergrund der Initiative sei die Interessensbekundung eines ungenannten Veranstalters. Spekulationen richten sich dabei auf die beiden landesweiten Kommerz-Radios Ostseewelle und Antenne MV und auf weitere Privatsender wie Radio B2 (weist einen eigenen Vorstoß zurück), Radio Teddy, Radio Paradiso und Lounge Plus. Sie bespielen in MV UKW-Inseln unterschiedlicher Größe.
Mit einem nicht datierten Online-Artikel legt die Ostseewelle aber nochmals den Finger auf die Wunde:
In einem Flächenland mit wenigen Einwohnern wie in Mecklenburg-Vorpommern ist es für die technischen Betreiberfirmen nur schwer möglich, die hohen Kosten für die notwendigen Investition in neue Sendeanlagen zu refinanzieren.
Es bleibt also bei dem Ruf nach „Staatsknete“: „Der Start eines privaten Multiplexes für M-V hängt also stark von möglichen Förderzusagen ab“, so folgerichtig ein MMV-Sprecher im März 2021. Die MMV könne das aus ihrem Etat jedoch nicht finanzieren. Von der Landesregierung gibt es immer noch kein positives Signal.
Eine flächendeckende DAB+-Abdeckung für Mecklenburg-Vorpommern – ähnlich wie sie der NDR seit Jahren hat – bleibt ein noch fernes Ziel.

Das unerwartete Engagement von Privatradios im einwohnerschwächsten Flächenland lenkt nicht davon ab, versucht aber, wenigstens einen Anfangspunkt für den Einstieg in DAB+ zu setzen. Rostock, wo jeder achte MV-Bürger (1.154 Einwohner pro Quadratkilometer) lebt, bringt den Radiosendern das beste Verhältnis von Kosten und erreichbaren Hörern im Bundesland.

Nicht zuletzt ist der Wettbewerb in knitterfreier digital-Qualität ja längst im Gang. Dafür stehen die mehr als 20 bundesweit sendenden Privatradios. Die Hybrid-Tunerpflicht wird nicht nur für die Steigerung der Verkaufszahlen sorgen. Das breite digitale Programmangebot wird die Attraktivität von DAB+ unterstreichen. Also gilt es den Markt zu besetzen - lieber etwas später als zu spät.

Überraschung: Rostock-Ensemble kommt - aber nur für Nichtkommerzielle

Dennoch kam es verblüffend anders als gedacht. Eine Ausschreibung Ende April 2021 sucht den Betreiber für eine ungewöhnliche Plattform: „Alle über die Plattform verbreiteten Programme müssen nichtkommerziell sein“, hieß es zunächst. Wenige Tage wurde diese Anforderung durch eine Ergänzung noch verschärft: „Die Plattform selbst und alle über die Plattform verbreiteten Programme müssen nichtkommerziell sein.“

Dass ein Plattformbetreiber seine Dienste im Grunde auf Nonprofit-Basis zur Verfügung stellen soll scheint ebenso gewagt wie die Beschränkung der teilnehmenden Programme auf nichtkommerzielle Radios. Das beschränkt die Teilnahme auf jene Programme, die sich aus Spenden und Förderungen finanzieren und sich daher eher in prekären Situationen bewegen. In Mecklenburg-Vorpommern ist das laut MMV-Angaben der Rostocker Vereinssender LoHRO. Dazu kommen die Offenen Kanäle für Neubrandenburg, Rostock und Malchin. Ihr gemeinsames Programm wird großteils über die MMV aus dem Rundfunkbeitrag finanziert.

Dass der Zugang zur Plattform „chancengleich und diskriminierungsfrei gewährt“ wird, ist keine besondere Forderung der MMV. „Zu angemessenen Bedingungen“ für alle Beteiligten finanzierbar ist so ein Projekt wohl nur mit kostengünstiger Small Scale Technik. Man darf also gespannt sein auf die Bewerbungen.

Weitere Informationen:
Hier werden allgemeine Meldungen gelistet. Links zu Infos über Ausschreibungen, Aufschaltungen usw. finden sich auf den Senderseiten für Mecklenburg-Vorpommern.
MMV korrigiert Rostock-Ausschreibung vom 10.5.2021.
Privater DAB+-Mux für MV ist nicht absehbar vom 1.2.2019.
DAB+ im Norden weiter im Wartestand (2) vom 29.1.2019.
DAB+ im Norden weiter im Wartestand (1) vom 26.1.2019.
MV-Medienanstalt will Privatmux ausschreiben vom 20.10.2017.
Call for Interest jetzt auch für MV vom 15.9.2017.

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