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Hierarchische Modulation

Ein bisher noch nicht genutztes „Feature“ von DVB-T ist eigentlich gar nicht so neu. Die „hierarchische Modulation“ ist schon lange ein Bestandteil des DVB-T Standards. Im Winter 2006 wurde diese Option erstmalig in Deutschland - in Berlin - getestet. Ende 2008 starteten das IRT und der BR starteten einen weiteren Testlauf unter anderen Vorzeichen.

Bisher wurde die „uniforme Modulation“ genutzt: Vier DVB-T Fernsehprogramme wurden auf einem Fernsehkanal zu einem Paket geschnürt und gemeinsam mit bestimmten Parametern als ein „Multiplex“ ausgestrahlt.

Heute scheinen sich weitere Dienste - ob Radio, Handy-Fernsehen DVB-H oder Datenanwendungen - zu etablieren. Angesichts der allgemeinen Frequenzknappheit wäre es sinnvoll, verschiedene Dienste in einem Multiplex zu bündeln. TV-Programme und DVB-H-Dienste können zum Beispiel, wie schon in Berlin (Kanal 39) praktiziert, auf einem Kanal gesendet werden. Weitaus interessanter ist es, für beide Dienste unterschiedliche Sendeparameter zu verwenden, die den jeweiligen Besonderheiten angepasst sind - und das auf einem Übertragungskanal.

Genau das ist die Aufgabe der „hierarchischen Modulation“: Wird diese Option genutzt, können zwei verschiedene Multiplexe innerhalb eines Fernsehkanals verbreitet werden - und zwar mit unterschiedlichen Datenraten, Fehlerschutzwerten, Modulationsverfahren usw.

Der Anfang Februar 2006 gestartete Test in Berlin soll dazu beitragen, dass „künftig verstärkt auch Anforderungen von reinen Datendienstanbietern und mobilen Anwendungen über DVB-T und DVB-H berücksichtigt werden“ können, erläutert dazu GARV, die MABB-Tochterfirma für sendetechnische Planungen.

Zwei Multiplexe auf einem Kanal

Logisch ist, dass beide Multiplexe als Anteile eines Signals verbreitet werden. Dafür wird die Modulation 64QAM verwendet. Dieses Signal beinhaltet zwei Anteile: Ein mit QPSK modulierter Teil enthält zunächst den „High Priority“-Multiplex (HP). Dieser ist mit niedriger Datenrate (Berlin: 5,53 Mbit/s) und hohem Fehlerschutz (1/2 - also ein Sicherheitsdatenpaket für ein Nutzdatenpaket) auch unter ungünstigen Bedingungen gut empfangbar. Verglichen mit der in Berlin für DVB-T üblichen Modulation 16QAM mit Fehlerschutz 2/3 wird die Reichweite dieses Signals - und damit die Empfangbarkeit innerhalb von Gebäuden - erhöht.

Der HP-Datenstrom enthält einen weiteren, vollständig getrennten und größeren Datenstrom, der als „Low-Priority“-Multiplex (LP) bezeichnet wird. Das kann nur funktionieren, wenn der LP-Multiplex hinsichtlich der Bandbreite aufgebohrt wird. Das geht zum Einen durch die höherwertige Modulation mit 16QAM, zum Anderen durch eine schlechterem Fehlerschutzfaktor (in Berlin: 5/6). Der LP-Multiplex hat folglich eine geringere Reichweite als der HP-Multiplex und ist empfindlicher gegen Störungen während der Übertragung - daher eben „Low-Priority“ (geringe Wichtigkeit).

So kann in der Praxis bei gleicher Sendeleistung das Empfangsgebiet für ausgewählte Inhalte vergrößert bzw. der Antennenaufwand reduziert und der Mobilempfang optimiert werden. Außerdem ergibt sich ein Gewinn an Bandbreite zugunsten neuer Anwendungen. Denkbar wäre auch, über einen TV-Kanal unterschiedliche Empfänger mit verschiedenen Services zu versorgen: Wie schon gesagt könnten beispielsweise DVB-T und DVB-H miteinander kombiniert werden, wobei jeder Teil-Multiplex für den jeweiligen Zweck mit optimale Parameter versehen wird. Die verschiedenen Möglichkeiten sollen während des Berliner Tests erprobt und ausgewertet werden. Das betrifft sowohl die Senderseite und die Empfangssituation als auch die Konfiguration von Endgeräten.

Die DVB-T Verbreitung ist von diesem Test nicht betroffen. Wer unbedingt sehen will, was da passiert, konnte während der Versuchszeit nach einem Suchlauf auf dem Kanal 51 ein Pro7-Testprogramm empfangen. Wie es scheint, erkennen wenige (ältere?) Settopboxen hingegen nur den LP-Datenstrom. Erfahrungen mit Computergeräten und entsprechender auf das Verfahren zugeschnittener Software gibt es noch nicht.

Im September 2006 war das Projekt beendet. Der Kanal 51 wird in der Hauptstadtregion weiter für Projekte und Tests genutzt.

Parameter der Berliner Tests

GARV gibt für den Test in Berlin folgende Parameter an:
Kanal: 51
Sendeleistung: 5 kW
Standort: Schäferberg
Gesamtmodulation: 64 QAM
Guardintervall: 1/8
HP-Stream
Programm
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:
CR=1/2 (5,53 Mbit/s - Datenrate entspricht QPSK, 1/2)
Pro7 Testkanal (ohne Dolby, EPG, Videotext)
LP-Stream
Programm
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:
CR=5/6 (18,43 Mbit/s - Datenrate entspricht 16QAM, 5/6)
Signalschleife von Rohde & Schwarz

HDTV und SDTV via Antenne auf einem Kanal?

Bis zum Herbst 2008 erklärten ARD und ZDF immer wieder, die Einführung von HDTV via Antenne nicht auf der kurzfristigen Agenda zu haben. Gleichwohl wurde ein interessanter Versuch gestartet: Mit einem Testsender in München erprobten der Bayerische Rundfunk und das Institut für Rundfunktechnik das Nebeneinander der von DVB-T gewohnten MPEG-2 Codierung und der neuen, für HDTV-Ausstrahlungen über Antenne verwendeten MPEG-4 H.264 Codierung auf einem Sendekanal. Dabei ging es wesentlich darum, ob die schon verkauften Empfangsgeräte die MPEG-2-Ausstrahlungen störungsfrei verarbeiten. Das scheint nicht durchweg der Fall zu sein. Welche Schlußfolgerungen sich daraus ergeben, blieb zunächst unklar.

Für die öffentlich-rechtlichen Anstalten ist das Projekt interessant, weil man die Antenne offenbar mittelfristig nicht von der technischen Entwicklung hin zu hochaufgelösten Bildern ausschließen will. In einer Übergangszeit müßte aber gewährleistet werden, daß die Nutzer der „alten“ Technik ungestört fernsehen können. Dies ist umso wichtiger, weil der Frequenzvorrat zumindest in den Ballungsgebieten erschöpft ist. Beim Umstieg könnte man daher statt eines Simulcast mit Drittkanälen die Kanalteilung einsetzen, so offenbar die Hoffnung.

In ähnlicher Weise könnten nach einem Umstieg von ARD/ZDF auch die Privaten von der Technik profitieren, die das gleiche Problem haben. Nicht zuletzt könnte der Einstieg in neuen DVB-T Gebieten mit einem MPEG-4codierten Kanal für die großen Privaten interessant sein: Sie könnten neben ihren üblichen auch kostenpflichtige Programme anbieten. Das Ganze wäre im Verhältnis effizienter und kostengünstiger als die bisher übliche DVB-T Verbreitung. Aber die Privaten wollen sicher keineswegs den Anfang machen und erst in einen MPEG-4 Betrieb einsteigen, wenn ein Minimum an Geräten im Markt ist ...

Das Projekt lief übrigens, als in Neuseeland terrestrisches HDTV mit MPEG-4 schon gestartet war und in England und Frankreich die Vorbereitungen dafür auf Hochtouren liefen.

Update 2015: DVB-T2 mit Multiplen PLPs

Die Einführung von DVB-T2 in Deutschland macht ein anderes Herangehen an die Kombination unterschiedlicher Multiplexe in einem Kanal möglich. Dort sind Multiple Physical Layer Pipes (PLPs) im Standard vorgesehen.

Zum Beispiel könnten ein auf den mobilen und ein auf den stationären Empfang ausgerichteter Mux in einem Kanal gekoppelt werden. Mobile Endgeräte bräuchten aber - nach entsprechender Signalisierung - nur die Mobilitäts-Signale zu bearbeiten und können den zweiten Mux quasi ignorieren. Das könnte u.a. zur Energieeinsparung beitragen und die Betriebsdauer mit Akkus bzw. Batterien verlängern. Umgekehrt funktionieren Energieeinsparungen zuhause, wenn nur der stationär orientierte Multiplex abgearbeitet würde.

Links:
Technische Hintergrundinformation des Instituts für Rundfunktechnik (IRT) vom April 2004 (pdf).
Fachartikel des IRT (pdf) von 2002 mit einem Vergleich der Empfangsgebiete beider Verfahren.
Presseinformation der GARV zum Berliner Test vom 3.2.2006 (pdf).



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