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Parteivertreter in Kontrollfunktionen (2/5) | |
Die Vorgänge um die Gremien der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM) liefern ein Beispiel erster Güte, wie sich Landesregierungen ganz legal die Kontrolle über Schlüsselinstanzen der Medienregulierung und -überwachung sichern.
Sachsen: Alles fest im Koalitionsgriff
Denn für Deutschland einmalig - und mit dem Ethos einer demokratischen Medienkontrolle durch Vertreter der Öffentlichkeit ganz und gar nicht zu vereinbaren - ist die Situation im Freistaat Sachsen. Die 35 Vertreter von Institutionen und Verbänden dürfen in der Medienversammlung nämlich nicht viel mehr als Entscheidungen abnicken, allenfalls eigene Meinungen zu dem äußern, was anderswo rechtswirksam entschieden wird. Das geschieht im Medienrat, dessen fünf Mitglieder vom Landtag (mit der jeweiligen Koalitionsmehrheit) ernannt werden.
Das sächsische Gremienkonzept stammt aus der Zeit um 2001 als die damals alleinregierende CDU die Befugnisse im Mediengesetz unter eigene Kontrolle brachte: Das betrifft bis heute den Medienrat als Entscheidungsgremium und den vom Medienrat ernannten Direktor als Ausführenden der Entscheidungen. Diese Funktion übte ab 2000 und bis Anfang 2019 Martin Deitenbeck aus. Er war zuvor Referent der CDU-Landtagsfraktion.
Personalpolitk - Politikpersonal
Wie das in der Praxis funktioniert zeigt die Nachwahl eines Medienrates im Juli 2019: Da schob die Sachsen-Groko Fabian Magerl auf den vakanten Posten. Der CDU-Funktionär und frühere Mitarbeiter einer Parteipublikation ist heute Geschäftsführer einer Versicherung. Damit zeigte die Sachsen-GroKo wie wenig sie selbst „ihrem“ Fünferrat über den Weg traut: Mit Magerl, dem Medienrats-Chef Michael Sagurna (CDU, zuvor u.a. für Medienpolitik zuständiger Chef der Staatskanzlei) und seiner Stellvertreterin Eva Brackelmann (SPD) haben Parteigänger der Regierungskoalition das Sagen im Entscheidergremium.
Diese Mehrheit sicherte sich die GroKo kurz vor den Landtagswahlen 2019 bis zum Ende der Amtszeit des Medienrates Ende 2022. Als das geschah waren kräftige Stimmverluste der Koalition absehbar. Dass es nach dem Wahlergebnis nicht zur GroKo-Neuauflage reichte, unterstreicht die Bedeutung der Mehrheitsbildung im SLM-Medienrat.
Die Tätigkeit und Rolle des Medienrates und die Wahl Magerls in das Gremium löste freilich einen öffentlichen Aufschrei der machtlosen Medienversammlung aus.
Eine Entlassung und die Folgen
Alles begann im Februar mit der für Aussenstehende überraschenden Mitteilung des SLM-Medienrates vom 7. Februar 2019 über die Entlassung des SLM-Direktors Martin Deitenbeck. Erst mit Verzögerung benannte der Medienrat Gründe „in erheblichen Differenzen zu wesentlichen Fragen der strategischen Ausrichtung der Arbeit der SLM“. Andere Stimmen sehen das ähnlich, wenn auch aus anderem Blickwinkel: Deitenbeck sei mit seinen Bemühungen am Medienrat gescheitert, die Medienanstalt auf einen - angesichts des Wandels der Medienlandschaft notwendigen - zukunftsorientierten Kurs zu bringen.
Noch andere Stimmen meinen, man habe Deitenbeck die Entscheidung der Landesmedienanstalten gegen den Leipziger Unternehmer Göpel und dessen Firma DABP in Sachen zweiter DAB+-Multiplex in die Schuhe geschoben. Das wies der Medienrat zwar weit von sich. Man erinnere sich aber: Die Landesregierung versicherte Göpel ausdrücklich ihrer Unterstützung. Sie bestellte den Medienrat und den Direktor deswegen zum Rapport. Weder Ratspräsident Sagurna noch ein Stellvertreter hatten an der Sitzung teilgenommen, als Antenne Deutschland statt des sächsischen Wunschkandidaten DABP den Zuschlag erhielt. Die Stimme der SLM hätte allerdings an der Mehrheit bei der Abstimmung der Gremienvorsitzenden der Landesmedienanstalten nichts geändert.
Eine Ohrfeige für den Medienrat
Im nächsten Schritt schrieb der Medienrat die Nachfolge des Direktors aus. Das brachte die Widersprüche zum Ausbruch und die Medienversammlung auf die sprichwörtliche Palme.
Laut Berichten soll die Ausschreibung des Medienrats auf eine Person zugeschnitten gewesen sein und die Laufzeit viel zu kurz, um substanzielle Bewerbungen zu ermöglichen. Als einziger Bewerber wurde der Verwaltungschef der SLM Hardy Sieglitz genannt. Die SLM-Versammlung machte deutlich, dass sie weder das Verfahren noch die vom Medienrat ausersehene Person für geeignet hält. Mit 23 von 25 anwesenden Gremienvertretern forderte die Versammlung den Medienrat auf,
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angesichts der gewandelten Herausforderung im Medienbereich, der Breite der Aufgaben, denen sich die SLM zu stellen hat und der zeitgleich herrschenden schlechten Außenwahrnehmung der SLM, hinsichtlich der Bewerberinnen und Bewerber ein deutlich breiteres Anforderungsprofil bei Qualifikation und Eignung zu fassen.
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So öffentlich geohrfeigt konnte der Medienrat wohl nur einen Rückzieher machen. Die Stellenbesetzung wurde Anfang April 2019 „unbestimmt“ vertagt. Auch Ende 2019 ist der Direktorenstuhl der SLM verwaist und keine Ausschreibung in Sicht.
... entspricht nicht dem Verständnis demokratischer Prozesse ...
Im nächsten Schritt weigerte sich die Versammlung, der (oben berichteten) Nachberufung eines Medienrats durch ihren Personalvorschlag den Anstrich demokratischer Mitwirkung zu verpassen. In einem Brief an den Landtagspräsidenten formulierten die Mitglieder der Versammlung ihren Unmut:
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Die gesetzliche Regelung der Ausgestaltung des mit fünf Mitgliedern besetzten Medienrates mit allen relevanten Entscheidungsbefugnissen gegenüber dem sich aus 35 Vertreterinnen und Vertretern der gesellschaftlich relevanten Gruppierungen, Vereinen und Verbänden zusammensetzenden Versammlung ohne Entscheidungsbefugnis hat sich nicht als funktionsgerecht erwiesen und entspricht nicht dem Verständnis demokratischer Beteiligungs- und Entscheidungsprozesse. Die Versammlung sieht deshalb Veränderungsbedarf hinsichtlich der Neuordnung der Entscheidungsstrukturen in der SLM, wozu das Sächsische Privatrundfunkgesetz novelliert werden muss.
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Die Lancierung von Fabian Magerl in den Medienrat durch die Koalitionsfraktionen provozierte die Medienversammlung nochmals und zusätzlich in ihrer Kritik an politischen Entscheidungen: Statt in ein Gespräch über eine Reform der SLM-Strukturen einzutreten sei die Wahl des CDU-Mannes ein Zeichen der Politik, „einfach weiterzumachen wie bisher“ und ein „falsches Signal“, kommentierte die Vorsitzende der SLM-Versammlung Brunhild Fischer.
Die Luft wurde zugleich zwischen den SLM-Gremien immer dicker. Wie es scheint hat sich der Medienrat - namentlich der Präsident - eine sachgerechte Kommunikation mit der Versammung nicht geführt. Nur so kann erklärt werden, dass Präsident Sagurna diese Aufgabe im April 2019 dem Medienrat Rüdiger Steinmetz übergab. Ein Eingeständnis der Misere ist die Bitte des Medienrats an die Versammlung, „zu prüfen, welche Maßnahmen dort ergriffen werden können, um die Kommunikation zwischen beiden Organen zu verbessern“. Dass deutet an, dass für diese Änderung Grund bestanden hat.
Weitere zwei Monate später gab Sagurna das Präsidentenamt an seinen Stellvertreter, den Medienwissenschaftler Markus Heinker, ab. Seine Stellvertretung übernahm Eva Brackelmann (SPD).
Mit diesem Sachstand verabschiedete sich die sächsische GroKo in die Wahlniederlage vom September 2019.
Konsequenzen
Während die Verhandlungen um eine neue Koalition laufen, ist die Opposition handlungsfähig. Die Linkspartei nutzt das aus und brachte im neuen Landtag eine Entschließung zur Medienpolitik ein. Das bisherige Konstrukt des Allgewalt des Medienrates ist schlicht undemokratisch und „entspricht nicht dem Verständnis demokratischer Entscheidungs- und Beteiligungsprozesse“, greift die Fraktion eine frühere Aussage der SLM-Versammlung auf. Für die Aufgabenerfüllung, auch im Sinne einer demokratischen Struktur der SLM, soll die Versammlung die Entscheidungen treffen und der Direktor diese umsetzen. Auf einen Medienrat soll verzichtet werden. Die Gremiensitzungen sollen öffentlich abgehalten werden. Verbunden wird das mit Vorschlägen zur Arbeit der SLM, darunter der Unterstützung nichtkommerzieller, regionaler und lokaler Sender.
Die zwischenzeitliche Landtagswahl in Sachsen verhinderte allerdings - zumindest bis zum Juli 2020 - eine parlamentarische Behandlung des Themas.
Ob die seit 2019 regierende Koalition aus CDU, SPD und Grünen die Medienversammlung aufwertet, bleibt abzuwarten.
Medienrat setzt sich letztlich durch
Im Juli überraschte die SLM mit der Mitteilung, Hardy Sieglitz sei vom Medienrat und in Übereinstimmung mit einer Mehrheit der SLM-Versammlung zum Geschäftsführer erkoren worden. Gegenüber der ÖFfentlichkeit wird ausdrücklich hervorgehoben: „Der Entscheidung vorausgegangen war ein fachanwaltlich betreutes Auswahlverfahren mit bundesweiter Ausschreibung und ein gemeinsamer Verständigungsprozess zwischen den beiden SLM-Gremien Versammlung und Medienrat.“ Sieglitz' Vertrag beginnt am 1. August 2020.
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