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Macht 5G Radio und TV mobil? IMB5 (3/3) | |
Ab Juli 2014 arbeitete ein bayerisches Projekt an der „Integration von Mobilfunk und Rundfunk in LTE/5G“ - kurz IMB5 - an der Übertragung von Broadcast-Signalen für Radio und Fernsehen im UHF-Bereich mit Mobilfunktechnik. Erste Ergebnisse wurden im Januar 2016 vorgestellt.
Technischer Kernpunkt von IMB5 ist das bisher nirgendwo eingesetzte Verfahren evolved Multimedia Broadcast/Multicast Service (eMBMS). Dieses setzt auf der LTE-Technik des Mobilfunks für Datennetze auf. Es arbeitet im Gegensatz zum LTE-Datenfunk jedoch nicht mit der kleinzelligen Netzstruktur des Mobilfunks und dem individuellen Datenbezug.
eMBMS stellt vielmehr großflächige terrestrische Gleichwellennetze für eine Datenübertragung „Point-to-Multipoint“ bereit, was letztlich dem Broadcast-Prinzip entspricht. Sogar nationale SFN-Netze wären vorstellbar, heißt es. Möglich wird das im UHF-Band. IMB5 zielt daher auf das 700 MHz-Band, das im Zusammenhang der Breitbandinitiative des Bundes und als („Digitale Dividende 2“) dem Fernsehen weggenommen und Mitte 2015 an die Mobilfunkbetreiber versteigert wurde.
Das Projekt beschäftige sich mit Forschungs-Vorabeiten einer späteren Standardisierung, hieß es dazu. Feiert das 2008 in Deutschland gescheiterte mobile Fernsehen Wiederauferstehung? Wird das mit einem Handy-Vertrag gekoppelt? Die neue Technologie würde sicher nicht vor 2025 eingeführt werden, verlautete vom Konsortialführer des Projektes, dem Institut für Rundfunktechnik. Tatsächlich dürfte das (s.u.) nicht vor 2034 möglich werden.
Mitglieder des IMB5-Projektkonsortiums sind das Fraunhofer IIS-Institut, die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Nokia, Rohde&Schwarz; assoziierte Partner sind der Bayerische Rundfunk und BMW Forschung und Technik.
Mobilfunker wollen die TV-Terrestrik kontrollieren
Zwar entfallen mit diesem Konzept Probleme des mobilen Datenfunks wie die kleinzellige Netzstruktur und die zwischen den aktiven Nutzern einer Zelle geteilte Datenrate, was zum Blackout bei starker Nutzung führen könnte. Das IRT stellt zudem fest, Mobilfunk-Flatrates würden nicht belastet. Damit wird einigen Einwänden gegen die TV-Verbreitung über den Mobilfunk Wind aus den Segeln genommen. Es werden aber auch neue Fragen - und eine alte - aufgeworfen.
Die neue Technik würde aber eine grundlegende Veränderung mit sich bringen, indem die Kontrolle über die terrestrische TV-Verbreitung an die Mobilfunk-Betreiber übergeht. Nokia Networks läßt durchblicken: Man „verspricht Netzbetreibern neue Umsatzquellen durch die TV-Verbreitung über existierende mobile Breitband-Infrastrukturen“. Dann kommt noch ein Wink mit dem pekuniären Zaunpfahl in Richtung der Nutzer: Frei empfangbare Übertragungen seien ebenso wie Pay-TV (also verschlüsselt) grundsätzlich möglich.
Diese Idee ist nicht neu und erinnert an frühere Versuche, Fernsehen mit Sendestandards wie DVB-H oder DMB auf Handys mobil empfangbar zu machen. Das scheiterte 2008, weil die Mobilfunker keine Kontrolle über die Frequenzen und die Anbieter-Plattformen hatten, daher von den Diensten nicht profitieren konnten. Zudem waren die damals kleinen Handy-Displays fürs Fernsehen unzureichend. Daher verweigerten die Telekoms bis auf kurzzeitige Einzelfälle den Verkauf von Handys mit integriertem DVB-H, DMB bzw. DVB-T.
Mit der massenhaften Verbreitung von Smartphones und Tablet-PCs haben sich die Voraussetzungen für eine Vermarktung mobiler TV-Angebote jetzt wesentlich verbessert. Und die wirtschaftlichen Aspekte ändern sich grundlegend zugunsten des Mobilfunks, wenn diese Unternehmen im Zuge der Breitband-Strategie der Bundesregierung Zugriff auf das 700 MHz-Band bekommen und dann das mobile Fernsehen kontrollieren können. Die Aussicht darauf könnte das Engagement der Mobilfunk-Unternehmen beflügeln. Nebenbei dürfte auch die Standardisierung der Sendetechnik von den bisher für das Fernsehen zuständigen Gremien (u.a. das DVB Projekt) zu den für die Telekom-Techniken wechseln.
Geschäftsmodelle, Zwangskopplung, Regulierungsbedarf
Dann ist von einem Geschäftsmodell á la TV-Kabel auszugehen. Zusätzlich zum Rundfunkbeitrag wird den Nutzern eine (möglicherweise im Tarifdschungel versteckte) „Transportgebühr“ für die Programme von ARD und ZDF abgefordert werden. Für Privatprogramme wird sich das als Form von Pay-TV darstellen. Bekanntermassen finanzieren sie jetzt schon ihre HDTV-Kanäle aus Einnahmen der Distribution mit. Sie fordern eine Bezahlplattform auch für die Verbreitung ihrer dennoch als Free-To-Air bezeichneten Programme via DVB-T2. Die neue Plattform wird der Terrestrik daher das Alleinstellungsmerkmal des TV-Empfangs ohne zusätzliche Kosten/Gebühren nehmen.
Es besteht auch Anlass zur Vermutung, dass der terrestrische Fernsehempfang künftig mit Mobilfunkverträgen gekoppelt wird und dass man das Eine nicht ohne das Andere bekommt, ob mal will oder nicht.
Überdies ruft ein solches Konzept den Gesetzgeber und die Regulierer auf den Plan. Denn unbedingt ist zu gewährleisten, dass alle Mobilfunker ein einheitliches Basispaket öffentlich-rechtlicher und privater Programme anbieten müssen. Dafür ist eine „must carry“-Regulierung nach dem Vorbild des Kabelfernsehens notwendig.
EBU: Kosten sind ausschlaggebend
Wird von LTE ausgegangen, erweist sich die Mobilfunktechnik zumindest für den digitalen Hörfunk - sowohl hinsichtlich des Netzaufbaus als auch des Sendebetriebes - als wesentlich teurer und weniger ausfallsicher als der Sendebetrieb mit DAB+. Dies stellten Mitte 2014 Studien aus Bayern und Schweden fest. Ob eMBMS das Dank der großzelligen Netze und des Broadcast-Charakters ändern kann, wäre erst nachzuweisen. Ebenso ob die weitere Entwicklung der Netzkapazitäten und der Kosten für ausreichende Übertragungsleistungen und angemessene Entgelte ausreicht.
eMBMS erlaube die TV-Verbreitung zumindest theoretisch schon jetzt, merkt die EBU an. Szenarios des Netzbetriebes, Geschäftsmodelle, Regulierungsfragen und vor allem die letztlich ausschlaggebenden Kosten müssten aber bekannt sein, bevor man eine Einführung diskutieren könne. Darüber hinaus wird darauf verwiesen, dass die EBU-Mitglieder - zumeist öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten - auf die Free-to-Air Verbreitung ihrer Kanäle wert legen.
Medienrechtlicher Rahmen in Deutschland fehlt bis 2033
Nicht übersehen ist der zeitliche Zusammenhang des IMB5-Projektes: Mitte 2015 hatte die Versteigerung des 700 MHz-Bandes an den Mobilfunk für Unruhe unter den TV-Veranstaltern gesorgt. Auf der Weltfunkkonferenz im November 2015 könnte das noch verbliebene UHF-Spektrum zur Disposition gestellt werden, obwohl die EU vor 2025 nicht über die Terrestrik nachdenken will.
Ein Systemvergleich der Medienanstalten zum digitalen Radio vom Oktober 2015 konstatiert gegenüber den Studien des Vorjahres zwar zwischenzeitlich gefallene Kosten für den Hörfunk in Kombination von LTE-A und eMBMS. Eine Einführung stehe aber erst einmal nicht in Aussicht, „weil hierfür keinerlei medienrechtlicher Rahmen besteht. Auch kann ein solcher nicht nachträglich auf die im Mai/Juni 2015 mit einer Laufzeit bis zum Jahr 2033 versteigerten Frequenzen des Mobilfunks angewendet werden.“
Was kommt danach? Erste Andeutungen
Neue Techniken für den terrestrischen Rundfunk (Radio wie TV) stehen also ersteinmal nicht auf der Tagesordnung.
Aufgeschoben ist aber nicht unbedingt aufgehoben. Würden Radio und Fernsehen mittels Mobilfunk verbreitet, würde die gesamte individuelle und öffentliche Massenkommunikation, Informationsverbreitung und damit u.a. die politische Willensbildung weitgehend unter Kontrolle der Telekommunikationskonzerne stehen. Ist das politisch gewünscht?
2019 scheint sich eine Alternative zum bisherigen Broadcast am Technik-Horizont abzuzeichnen. Das Zauberwort heißt „5G“. Mit dem Projekt „5G Today“ setzte Bayern ab Ende 2018 ein Zeichen in diese Richtung.
Weitere Informationen:
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