Die Bearbeitung von dehnmedia.de wurde am 31.12.2022 abgeschlossen.
Bitte beachten Sie mein neues Projekt www.dunera.de!
Die Digitale Dividende (3/5) | |
Das Ergebnis der Frequenzauktion
Die Bundesnetzagentur führte die Versteigerung der Frequenzen für die mobilen Internetdienste mit LTE-Technik vom 12. April bis zum 20. Mai 2010 durch. Insgesamt standen 41 Blöcke in vier Frequenzbereichen für die Gebote der Betreiber T-Mobile, O2, Vodafone und E-Plus zur Verfügung.
Besonders umkämpft waren die sechs im Bereich der „Digitalen Dividende“ angesiedelten Blöcke - die UHF-Kanäle 61 bis 69 (790 bis 862 MHz). Sie waren zuvor dem Fernsehen vorbehalten gewesen. Sie bieten den Netzbetreibern besonders gute Ausbreitungseigenschaften und sind damit kostengünstiger als die auktionierten Frequenzen um 1,8 und 2,0 sowie 2,6 Gigahertz. Das zeigte sich während der 224 Auktionsrunden und letztlich in der Höhe der Gebote. Insgesamt spülte die Versteigerung 4,384 Milliarden Euro in die Bundeskasse. Allein die sechs UHF-Blöcke ließen sich Telekom, O2 und Vodafone zusammen 3,58 Mrd. Euro kosten und sicherten sich so je zwei Pakete.
Ausbau beginnt kurzfristig
Bereits im Juni 2010 kündigte die Deutsche Telekom den Ausbaubeginn an. Der erste Mast in Kyritz (Brandenburg) wurde bereits Ende August 2010 in Betrieb genommen. Auch Vodafone nahm die erste LTE-Funkanlage schon im September 2010 in Betrieb und wählte dafür einen Standort im Osten - im Ostseebad Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern).
Telekom gab sich optimistisch, die Zeitvorgaben der Bundesnetzagentur zum Versorgungsausbau vorfristig zu erreichen: Bereits Ende 2010 soll das neue System in 500 bisherigen „weißen Flecken“ der Breitbandversorgung einsatzfähig sein. Damit sei man auf dem besten „Weg in die Gigabit-Gesellschaft“. Telekom will insgesamt 1.000 Orte ans schnelle Internet anschließen. Geboten werden Datenraten von mindestens 2 Megabit pro Sekunde, was der aktuellen Minimalleistung eines DSL-Anschlusses entspricht. Die Kosten der angebotenen Flatrates sind noch unbekannt.
Vodafone hatte zur IFA Tarife veröffentlicht: Drei Stufen bieten ein Übertragungstempo von 7,2 bis 50 MBit/s für 40 bzw. 70 Euro. Der Anschluß wird bei Erreichen eines Inklusivvolumens von 10 bzw. 20 Gigabyte auf 384 Kbits gedrosselt. Der Ausbau soll im Frühjahr 2011 1.500 Standorte erreichen.
Am Rande zu bemerken ist, dass nicht nur die Satelliten-Betreiber nach Auktionsende den Ausbau ihrer Internetdienste als Alternative und im Wettbewerb mit den LTE-Funkdiensten ankündigten. Obwohl es bisher stets hieß, Funk sei unabdingbar für die Beseitigung der „weißen Flecken“, kündigte selbst die Telekom zeitgleich dem Start des Funkausbaus an, weitere 500 Ortschaften per UMTS bzw. Kabel mit breitbandigem Internet zu versorgen. Ganz so dramatisch, wie vor den Bundestags-/Bundesratsbeschlüssen und der Versteigerung dargestellt, scheint sich das mit den nicht mit DSL versorgbaren 800 Ortschaften also nicht zu verhalten.
„Nebenwirkungen“ weiter ungeklärt - Beck: „nicht akzeptabel“
Ebenfalls festzuhalten ist, dass die Einführung der neuen Dienste und der Netzausbau ohne Rücksicht auf „Nebenwirkungen“ vorgenommen wird: Gegen die möglichen Störungen des Fernsehempfangs per DVB-T und Kabel gibt es weder technische Mittel noch Programme zur Unterstützung betroffener Haushalte.
Ausserdem müssen Film- und TV-Produktion, Theater, Kongresszentren usw. eine großen Teil ihrer Funkmikrofontechnik ersetzen, da auch diese im oberen UHF-Bereich arbeitet.
Die Bundesregierung hat sich zwar durch Protokollerklärung im Bundestag verpflichtet, Folgekosten in angemessener Weise zu tragen, aber praktisch nichts unternommen. Den Sachstand Mitte Juli 2010 fasste Kurt Beck zusammen:
|
„Die Bundesregierung ist ihrer Zusage aus dem Vereinbarungen aus dem Sommer 2009 bisher noch nicht nachgekommen. Wir (d.h. die Bundesländer) haben erst kürzlich nochmals nachdrücklich darauf gedrängt, dass die Gespräche im Interesse der Betroffenen zu einem positiven Abschluß geführt werden. Der Bund hatte in einem ersten Entwurf Regelungen für eine Entschädigung, insbesondere der Drahtlosnutzer vorgelegt, die in keiner Weise unseren Erwartungen entsprechen. Vergleichbares gilt für die Entschäduiigung der Sendernetzbetreiber ARD und Media Broadcast, die nahezu sämtliche Folgekosten aus der Umstellung der Sendernetze selbst tragen sollen. Dies halte ich im Ergebnis für nicht akzeptabel.“ |
|
Kurt Beck (SPD) ist Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Vorsitzender der Rundfunkkommission der Bundesländer. Quelle: Meinungsbarometer Digitaler Rundfunk, Juli 2010. |
Während der Internationalen Funkausstellung 2010 formierte sich der Widerstand. Nachdem LTE über UHF-Frequenzen beschlossen ist, wurden noch einmal die Positionen formuliert und ein Runder Tisch gefordert, an dem alle involvierten Institutionen, Behörden und Verbände über die Schadensbegrenzung verhandeln sollen.
„Wg. Dividende“: RTL steigt in Nürnberg aus DVB-T aus
Zu ersten Kanalwechseln kam es bereits im Oktober 2010 in Hessen (ZDF) und Bayern (Privat-Mux München/Südbayern). ARD und ZDF sind zum Wechseln gezwungen sind, egal unter welchen Umständen. Gleichzeitig zeigte sich, dass die Privatsender das Problem sehr ernst nehmen.
RTL begründete seinen Ausstieg aus der DVB-T Verbreitung in Nürnberg zum 31. Oktober 2010 mit dem von der BNetzA geforderten Frequenzwechsel vom Kanal 66. Hier die Presseerklärung im Wortlaut:
|
„Die Mediengruppe RTL Deutschland beendet zum 31. Oktober 2010 die DVB-T-Übertragung ihrer Sender RTL, VOX, RTL II und SUPER RTL in der Region Nürnberg. Zum Hintergrund: Im Zuge der Zuteilung der bisher für DVB-T genutzten Frequenzen durch die Bundesnetzagentur an Mobilfunkbetreiber hätten die Sender in Nürnberg den Kanal wechseln müssen. Ein störungsfreier Empfang von Fernsehprogrammen bei gleichzeitiger Nutzung von Rundfunkfrequenzen für das mobile Internet wurde von der Bundesnetzagentur nicht hinreichend geklärt. Daher macht die Mediengruppe RTL Deutschland von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch. Zudem ist auch die grundsätzliche Frage einer Entschädigung der Sender für etwaige wirtschaftliche Schäden aus der Frequenzumwidmung bisher nicht abschließend geklärt.
Tobias Schmid, Bereichsleiter Medienpolitik der Mediengruppe RTL Deutschland: 'Für die Versorgung ländlicher Gebiete mit mobilem Internet waren und sind wir grundsätzlich bereit, ungenutzte Kapazitäten frei zu geben. Wir haben dafür lediglich erwartet, dass der Rundfunk garantiert für unsere Zuschauer weiterhin störungsfrei zu empfangen ist und wirtschaftlich keinen Schaden nimmt. Da dies bis zum heutigen Tage nicht geklärt wurde, sind wir gezwungen, die angekündigten Konsequenzen zu ziehen. Wir erwarten eine eindeutige Positionsbestimmung für eine Rundfunkverbreitung über die Terrestrik. Ein Investment unter unklaren politischen Vorgaben ist den Rundfunkveranstaltern und ihren Zuschauern nicht zumutbar. Diese Entscheidung betrifft die Verbreitungssituation in Nürnberg, weil hier durch den Frequenzwechsel ein Kündigungsrecht entsteht, von dem die Mediengruppe RTL Deutschland aus den oben genannten medienpolitischen und medienrechtlichen Erwägungen Gebrauch macht. Die geschilderte Problemlage besteht jedoch über Nürnberg hinaus für das gesamte Bundesgebiet.'
Die Sender der Mediengruppe RTL Deutschland sind in den Regionen Berlin/Brandenburg, Norddeutschland, Nordrhein-Westfalen, Rhein/Main, München, Stuttgart und Halle/Leipzig über DVB-T zu empfangen. Unter entsprechenden Rahmenbedingungen bleibt DVB-T ein Verbreitungsweg, der von der Mediengruppe RTL Deutschland insbesondere in Ballungsräumen weiterhin unterstützt wird.“
|
Der RTL-Multiplex kommt zwar nur in Nürnberg von einem Dividende-Kanal. Dennoch hat RTL mit seiner Entscheidung ein Zeichen gesetzt. Immerhin schätzen die Privatsender die Umstiegskosten für 12 Programme auf sechs Sendeanlagen in zwei Bundesländern sowie den Austausch von Produktionstechnik auf 20 Mio. Euro. Die ARD rechnet sogar mit 111,5 Mio. Euro Kosten. Den Schaden tragen letztlich die Zuschauer, entweder über ein reduziertes Programmangebot oder über die Rundfunkgebühr.
Bewertet man den RTL-Ausstieg in Nürnberg zusammen mit Äußerungen aus dem Bundeswirtschaftsministerium während der IFA, kann sich ein dramatisches Bild ergeben: Der Bund koppelt seine (ohnehin schwammig formulierte) Zurückhaltung bei den EU-Plänen für eine „Digitale Dividende 2“ an die Weiterentwicklung der Terrestrik. Verstärken sich die Rückzugsbewegungen der Privaten, wird die Attraktivität der Antenne nachhaltig beschädigt. Mit dieser Folge der „Dividende“ könnte der Bund eine „Dividende 2“ begründen - und würde das wahrscheinlich obendrein den Privaten in die Schuhe schieben.
Sorgen um eine „Digitale Dividende 2“
Während die breitbandigen Mobildiensten noch nicht einmal vollständig eingeführt sind, mehren sich bereits Forderungen, einen weiteren Teil des Frequenzspektrums dem Fernsehen wegzunehmen und den Mobilfunkern zuzueignen. Schon Anfang 2012 deutet sich bezüglich einer „Digitale Dividende 2“ eine besorgniserregende Situation an.
Weitere Informationen:
|