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Die Digitale Dividende (1/5) | |
Nach dem Scheitern des Teles-Projektes, einer „Denkpause“ und auf der Grundlage technischer Weiterentwicklungen bekommt das „Internet vom Fernsehturm“ eine neue Chance. Allerdings mit grundlegenden Änderungen: Von DVB-T-Technik ist nicht mehr die Rede. Seit 2011 dürfen die Mobilfunkbetreiber die TV-Frequenzen „Digitale Dividende“ nutzen, um neue mobile Internetdienste zu etablieren.
LTE-Hotline |
Für die Bearbeitung fremdverursachter Funkstörungen, darunter auch des TV-Empfangs durch LTE-Dienste, ist die Bundesnetzagentur zuständig. Meldungen können an die Hotline
0180 3 23 23 23
(Festnetz: 9 ct/min; Mobilfunk: Max. 42 ct/min) erfolgen.
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Eine Idee mit schlimmen Folgen - nicht nur für den TV-Empfang. Schon 2007 hatte Lieven Vermaele, technischer Direktor der EBU, im Vorfeld der Wellenkonferenz RRC07 darauf hingewiesen, dass mobile Dienste den DVB-T Empfang im gleichen Frequenzband stören können. Der Erfolg von DVB-T in vielen Ländern Europas „könnte durch die Einführung von Mobiltelefoniediensten in Rundfunk-Frequenzbändern in Frage gestellt werden“. Kein Wunder, dass die Frequenzumwidmung auf heftigen Widerstand - nicht nur aus dem TV-Bereich - stieß.
Neue Frequenzverteilung 2009 beschlossen
Am 12. Juni 2009 beschloß der Bundesrat als letzte Instanz der deutschen Gesetzgebung umfangreiche Änderungen der „Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung“. Wesentlich betroffen ist der obere UHF-Bereich von 790 bis 862 Megahertz (Kanäle 61 bis 69). Diese werden dem Rundfunk weggenommen und der Telekommunikation zugeschlagen. In diesem Bereich sollen schnelle Internetzugänge im ländlichen Raum etabliert werden - überall dort, wo ein Ausbau von DSL finanziell nicht tragfähig ist. Argumentiert wird unter anderem, dass Firmenansiedlungen dort ohne schnelle Online-Zugänge unmöglich würden. Das Vorhaben ist Teil des Konjunkturpaketes der Bundesregierung. Die Bundesnetzagentur soll die Frequenzen versteigern.
Die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten setzte trotz noch bestehender Vorbehalte von der Dienst-Anbieterseite im Juni 2008 eine Aktionsgruppe „Rundfunk und Digitale Dividende“ ein, um entsprechende Projekte voranzutreiben. Im Januar 2009 waren drei Projekte bekannt. Ende November und Anfang Dezember 2008 entschieden sich sowohl der EU-Ministerrat als auch die deutschen Bundesländer gegen eine extensive Vergabe von Rundfunkfrequenzen im UHF-Bereich an die Telekommunikation. In Deutschland sollen 39 der 48 UHF-Kanäle dem Rundfunk erhalten bleiben. Die ursprünglich von der EU geplante Anweisung an die Mitgliedsländer, sämtliche freie UHF-Ressourcen zu versteigern (wobei Rundfunkveranstalter und TV-Netzbetreiber chancenlos gewesen wären), scheint vom Tisch zu sein.
VPRT zunächst mit zurückhaltender Positionierung
Der VPRT, Interessenverband der Telekommunikationsbranche wie der großen privaten Rundfunkveranstalter, hatte die EU-Stellungnahme begrüßt. „Eine Umwidmung von Teilen des UHF-Bandes würde dazu führen, dass zur Schließung punktueller Versorgungslücken die gesamte Entwicklungsperspektive des terrestrischen Rundfunks und vergleichbarer Telemedien aufs Spiel gesetzt würde“, hatte der Verband schon vorab festgestellt. Da scheinen im Hintergrund Interessen der großen Privat-TV-Familien mitzuschwingen, die sich in weiteren DVB-T Regionen engagieren könnten und dafür Frequenzen brauchen. Diese Befürchtung des VPRT, die im Grundsatz auch von ARD und ZDF geteilt wird, scheint nun ausgeräumt.
Der VPRT brachte überraschend einen weiteren Aspekt in die Argumente gegen eine allzu pauschale Frequenz-Umwidmung: „Dem VPRT drängt sich (...) die Frage auf, ob Telekommunikationsunternehmen tatsächlich für diese ländlichen Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte und damit auch mit geringer Chance einer Refinanzierung der Investitionen mobiles Breitband planen oder ob es nicht primär um eine weitere Versorgung der Ballungsräume geht.“ Den finanziell wesentlich interessanteren Ausbau der Ballungsräume wollen die Telekommunikationsunternehmen erst beginnen, wenn die ländliche Räume versorgt sind - so eine Zusage von Branchenvertretern gegenüber den Bundesländern.
Gleichwohl begrüßte der Verband den Beschluß. Die Kosten der Umstellung, zu deren Übernahme die Bundesregierung aufgerufen wurde, wurden für den Rundfunkbereich mit 15 Mio. Euro beziffert. Dazu kämen noch die nicht abschätzbaren Kosten für die Störungsbeseitigung.
Durch den VPRT und in den offiziellen Dokumenten ist ausreichend klargestellt, dass es um eine bundesweite Einführung der neuen Dienste geht. Die Störpotenziale beschränken sich damit nicht auf ein paar abgelegene Ortschaften, für die eine DSL-Kabelanbindung zu teuer ist.
Bitkom ohne jede Zurückhaltung
In einer Presseerklärung des Industrieverbandes Bitkom zum Beschluß des Bundesrates wird Klartext gesprochen: „Für ein wirtschaftlich tragfähiges Modell müsse gleichzeitig eine Versorgung urbaner Regionen mit der neuen Technik möglich sein.“ Der Verband fordert zudem, dass Kooperationen von Netzanbieter zulässig sein sollen, „wo sich der Aufbau mehrerer paralleler Netze nicht lohnt – also insbesondere in sehr dünn besiedelten Gegenden.“ Damit wird nochmals deutlich, dass das Argument „ländlicher Raum“ tatsächlich nur der erste Schritt zum Einstieg in eine flächendeckende Versorgung werden soll - allein weil auf dem flachen Land trotz Förderung aus dem Konjukturpaket rote Zahlen erwartet werden.
Kritische Positionen
Den Privaten wie auch die öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten geht es auch um die Sicherung von „Rangierfrequenzen“. So sieht die Deutsche TV-Plattform „die flächendeckende Einführung künftiger effizienz-steigernder Technologien wie MPEG-4 und DVB-T2“ gefährdet. Die Reduzierung des Frequenzpotenzials schränkt also einen späteren verbrauchfreundlichen Umstieg (z.B. bei einer Einführung von terrestrischem HDTV) mit angemessenem Parallelbetrieb der alten und neuen Sendetechnik erheblich ein. Schließlich befürchten auch Kabelnetzbetreiber erhebliche Störungen des TV-Empfangs, wenn Frequenzen im Kabel und per Funk parallel genutzt werden.
Gemeinsam wiesen der Kabelnetzerverband Anga, die gfu und der ZVEI auf Folgendes hin: Vorhandene Empfangsgeräte „sind nach heutigem Stand nicht nachrüstbar, sodass Millionen von Fernsehzuschauern in Deutschland betroffen sein werden“.
Betroffen ist nicht nur der Rundfunk. In den Kanälen 61 bis 63 und 67 bis 69 arbeiten (auf Grundlage einer erst 2006 von der Bundesnetzagentur erteilten Pauschallizenz) Funkmikros und -monitorstrecken, die bei Filmdrehs, Veranstaltungen aller Art, Theateraufführungen usw. genutzt werden. Um diese Ressourcen fürchten nun die Fernsehproduzenten und Eventveranstalter - zwischen 400.000 und 700.000 Funkmikros bzw. Produktions-Funkstrecken sollen in Deutschland im Einsatz sein. Auch viele häusliche „Wireless“ Kopfhörer benutzen diesen UHF-Bereich.
Die neue Fassung der „Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung“ stellt dafür keine Ersatzfrequenzen bereit. Zu dieser Unterlassung der Länderkammer formuliert die in ihrer Beschluß-Drucksache eher lau „die Notwendigkeit, den Nutzern von drahtlosen Mikrofonen bereits vor Beginn des Versteigerungsverfahrens ein gleichwertiges Ersatzspektrum verbindlich zu benennen“ und erwartet, dass mögliche Störungen des Rundfunks vor der Frequenzvergabe abschließend untersucht werden.
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