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Rundfunkbeitrag vor dem Verfassungsgericht (1/4)

Beitragsservice Logo Euro-Münze Das Bundesverfassungsgericht setzte den 1. Medienänderungsstaatsvertrag (MÄStV), wenn auch mit Verzögerung und vorläufig, in Kraft. Sachsen-Anhalt scheiterte mit dem Versuch, die erste Erhöhung des Rundfunkbeitrages seit 2009 zu verhindern und bezog höchstrichterliche Schelte.

Zur Erinnerung: Der MÄStV tritt nur in Kraft, wenn alle 16 Landtage dem zustimmen. 15 Landtage taten das. Für Landespolitiker Sachsen-Anhalts war die von der KEF ab Januar 2021 vorgeschlagene Erhöhung des Rundfunkbeitrages um monatlich 86 Cent auf 18,36 Euro nur vordergründiger Anlass, den Staatsvertrag zu verhindern. Es ging um Anderes, das mit dem Abkommen der Bundesländer wenig zu tun hatte.

Die Vorgeschichte der Entscheidung zeigt, dass die Beitragshöhe allenfalls ein Teil des Hintergrundes der Ereignisse waren, die schlußendlich vom Bundesverfassungsgericht zu beurteilen waren. Dabei ging es um politische Ziele, die mit diesem Staatsvertrag nichts zu tun haben.

Das aus CDU, SPD und Grünen bestehende Kabinett Sachsen-Anhalts verhinderte Anfang Dezember 2020 die Abstimmung im Landtag. So rettete man nicht nur die eigene Koalition - denn die CDU hätte dagegen, Grüne und SPD dafür gestimmt. Man rettete zugleich die CDU-Fraktion vor einer äußerst peinlichen Allianz mit der AfD und der folgenden innerparteilichen Kontroverse wegen der Mißachtung von Beschlüssen der Bundes-CDU zur Unvereinbarkeit mit der AfD. Beide Fraktionen hätten mit ihrer gemeinsamen Mehrheit den Staatsvertrag zu Fall bringen können. So oder so hat die AfD ihr Ziel erreicht, den die Inkraftsetzung des MÄStV zu behindern und damit den drei ihr verhaßten Senderfamilie zu schaden.

Die Sender hätten natürlich in jedem Fall gegen den Versuch Sachsen-Anhalts geklagt, über den MÄStV und die Finanzierung politischen Einfluß auf die Arbeit der Rundfunkanstalten zu nehmen bzw. letztlich deren Programme einzuschränken. Neben dieser Verquickung politischer Wünsche zu Programm und Struktur mit der Finanzierung hinaus ging es vor Gericht darum, ob ein Bundesland einen von allen 16 Ländern erarbeiteten Konsens zur Rundfunkfinanzierung torpedieren darf.

Bundesverfassungsgericht setzt MÄStV „vorläufig“ in Kraft

Bundesverfassungsgericht Das höchste deutsche Gericht hatte am 22. Dezember 2020 zunächst Eilanträge abgelehnt, den Staatsvertrag und damit die Erhöhung des Rundfunkbeitrages vorläufig und ab dem 1. Januar 2021 in Kraft zu setzen. Die Sender hätten diese Notwendigkeit unzureichend begründet.

Am 20. Juli 2021 traf das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung. Es sah sich u.a. veranlasst, der Landesregierung Sachsen-Anhalts höchstrichterlich längst fixierte Grundsätze des Rundfunkrechts vorzuhalten. Daher hat höchste deutsche Gericht entschieden, „dass das Land Sachsen-Anhalt durch das Unterlassen seiner Zustimmung zum Ersten Medienänderungsstaatsvertrag die Rundfunkfreiheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt hat“. Die Richter setzten den 1. Medienänderungsstaatsvertrag mit dem erhöhten Rundfunkbeitrag und den weiteren Änderungen „vorläufig mit Wirkung vom 20. Juli 2021 bis zum Inkrafttreten einer staatsvertraglichen Neuregelung über die funktionsgerechte Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschlandradio“ in Kraft.

Das Gericht fasste zunächst die Vorgeschichte der Ereignisse zusammen, in der Sachsen-Anhalts Ministerpräsident u.a. eine ARD-Dienststelle für sein Bundesland und Änderungen der Senderstrukturen verlangte. Danach fasste das Gericht das geltende dreistufige Verfahren zur Beitragsermittlung zusammen:
1 Die ARD-Anstalten, das ZDF und Deutschlandradio melden der KEF ihren Finanzbedarf auf der Grundlage ihrer Programmplanungen für einen Vierjahreszeitraum (hier: 2021 bis 2024).
2 Die KEF prüft, ob die Programmentscheidungen dem Rundfunkauftrag entsprechen und ob der daraus abgeleitete Finanzbedarf den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entspricht. Die KEF darf daher kürzen. Im 22. Bericht für den o.g. Zeitraum strich die KEF immerhin 1,51 Mrd. Euro der Anmeldungen. Daraus ergab sich ein Finanzbedarf von 38,669 Mrd. Euro. Um diesen zu finanzieren schlug die KEF vor, den Rundfunkbeitrag ab Januar 2021 von 17,50 Euro um 86 Cent auf 18,36 Euro zu erhöhen. „Die Bedarfsfeststellung blieb damit um 88 Cent, also etwa 51 %, hinter dem von den Beschwerdeführern angemeldeten Mehrbedarf von 1,74 Euro zurück“, stellen die Richter heraus.
3 Der KEF-Vorschlag ist im letzten Schritt „Grundlage für eine Entscheidung der Landesregierungen und der Landesparlamente“, so das Gericht.

Dem weiteren Wortlaut des Bundesverfassungsgerichtes zur Entscheidung und der Presseinfo sind einige Eckpunkte des neuen Rundfunkurteils zu entnehmen:
Indem die 16 Bundesländer per Staatsvertrag den Auftrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk festlegen, sind alle 16 Bundesländer zur Finanzierung dieser Aufgaben verpflichtet. Als „Mitverantwortungsträger“ dürfen sich einzelne Bundesländer „derzeit mangels anderer Vereinbarung“ dieser Pflicht nicht entziehen. „Erfüllt ein Land seine Mitgewährleistungspflicht nicht und wird dadurch die Erfüllung des grundrechtlichen Finanzierungsanspruchs unmöglich, liegt bereits darin eine Verletzung der Rundfunkfreiheit.“
Die Festsetzung des Rundfunkbeitrags muss „frei von medienpolitischen Zwecksetzungen“ erfolgen. Der Gesetzgeber (hier die Bundesländer) muss dafür sorgen, „dass die Beitragsfestsetzung die Rundfunkfreiheit nicht gefährdet und dazu beiträgt, dass die Rundfunkanstalten durch eine bedarfsgerechte Finanzierung ihren Funktionsauftrag erfüllen können“.
Sachsen-Anhalt hatte seine Entscheidung öffentlich und bei Gericht u.a. mit dem Wunsch nach einer Strukturreform der Sender begründet. „Eine Strukturreform der Rundfunkanstalten oder eine Reduzierung der anzubietenden Programme war mit der Verabschiedung des Medienstaatsvertrags nicht verbunden und durfte mit dieser Beitragsfestsetzung verfassungsrechtlich nicht zulässig verfolgt werden.“ So kommentieren die Richter den Versuch Sachsen-Anhalts, wegen der seit Jahren ergebnislosen Verhandlungen Druck auf die anderen Bundesländer auszuüben.
Der Gesetzgeber hat also den „Grundsatz der Trennung zwischen der allgemeinen Rundfunkgesetzgebung und der Festsetzung des Rundfunkbeitrags“ einzuhalten. Das soll „Risiken einer mittelbaren Einflussnahme auf die Wahrnehmung des Programmauftrags ausschließen und damit die Programmfreiheit der Rundfunkanstalten sichern.“
Eine Abweichung von der KEF-Empfehlung könnte im Sinne einer „angemessenen Belastung der Rundfunkteilnehmer in Betracht“ kommen, stellen die Richter fest. „Programmliche und medienpolitische Zwecke scheiden in diesem Zusammenhang jedoch aus.“ Entsprechend muss eine Abweichung verfassungsrechtlich qualifiziert begründet werden. Wozu Sachsen-Anhalt nicht in der Lage war.

Mit dem neuen Rundfunkbeitrag setzt das Bundesverfassungsgericht die weiteren Änderungen in Kraft, die im 1. MÄStV vereinbart sind. Von Änderungen des ARDinternen Finanzausgleichs profitieren die beiden kleinen Sendeanstalten Radio Bremen und Saarländischer Rundfunk. Sie erhalten zusätzlich zum Beitragsaufkommen ihrer Bundesländer 1,7 statt 1,6 Prozent der auf die gesamte ARD entfallenden Netto-Beiträge. Ab 2023 steigt der Anteil auf 1,8 Prozent. Aus den Einnahmen bekommt die ARD insgesamt etwas weniger, während ZDF und Deutschlandradio einen höheren Anteil bekommen. Der Anteil für den deutsch-französischen Kulturkanal Arte wird ebenfalls erhöht.

Konsequenzen

Das Gericht fordert die Bundesländer also auf, den gesamten dreistufigen Prozess zur Ermittlung der Beitragshöhe erneut anzuschieben und einen neuen Staatsvertrag inklusive angepasstem Rundfunkbeitrag auszuhandeln. Die KEF kann bei ihrer neuerlichen Festlegung der Höhe des Rundfunkbeitrages auch die Mindereinnahmen aus dem Zeitraum von Januar bis zur Inkraftsetzung des MÄStV am 20. Juli 2021 kompensieren, stellen die Richter fest. Ebenso ist zu erwarten, dass die von Sachsen-Anhalt unterstellten angeblichen Minderausgaben wegen Corona von der KEF geprüft und bei der Feststellung der künftigen Beitragshöhe berücksichtigt werden.

Nun müssen also die 16 Bundesländer sich darüber einigen, ob sie und die KEF überhaupt in der Lage sind, den dafür notwendigen Ablauf schnell durchzuführen. Oder ob sie den Rundfunkbeitrag erst für die nächste Vierjahresperiode ab 2025 bis 2028 neu festlegen.

Und nochmal: Ein Gerichtsverfahren in Karlsruhe mit Kosten für hochqualifizierte Fachanwälte und Mindereinnahmen der Anstalten - und das alles nur, damit der Haussegen einer Landes-Koalition gerade hängt?

23. KEF-Bericht

Im turnusgemäß nach zwei Jahren fälligen 23. Bericht vom Februar 2022 bestätigt die KEF ihre Kalkulation aus dem 22. Bericht: „die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (sind) mit der Beitragsanpassung auf monatlich 18,36 € für die Beitragsperiode 2021 bis 2024 bedarfsgerecht finanziert“. Dabei unterstellt die KEF angemeldete Mehrkosten von 1,68 Mrd. Euro zu 924,8 Mio. Euro durch Aufwandsreduzierungen (also: Streichungen) und 623,1 Mio. durch „Ertragszuschätzungen“ gedeckt. Auch der Ausfall von 224,3 Mio. Euro sei durch „zusätzliche Mittel“ gedeckt. Nach Kürzungen von insgesamt 1,58 Mrd. Euro spricht die KEF für den Zeitraum von 2021 bis 2024 den Sendeanstalten zusammen 38,76 Mrd. Euro zu. Den neun ARD-Anstalten stehen davon 27,65 Mrd. Euro zu. Das ZDF kann mit 10,06 MrdEuro wirtschaften und Deutschlandradio mit 1,05 Mrd. Euro kalkulieren. Einige Posten, darunter die Mehrkosten durch Corona, sind allerdings in zwei Jahren im 24. Bericht nochmals zu bewerten.

Weitere Informationen:
Bundesverfassungsgericht: Rundfunkurteil vom 20.7.2021 (Wortlaut).
Bundesverfassungsgericht: Wichtige Rundfunkurteile (ARD).
23. KEF-Bericht vom 18.2.2022 (Wortlaut).
22. KEF-Bericht vom 20.2.2020 (Wortlaut).
Es bleibt bei 18.36 Euro - 23. KEF-Bericht (18.2.2022).
Richter strafen Sachsen-Anhalt ab (3) (7.8.2021).
Richter strafen Sachsen-Anhalt ab (2) (5.8.2021).
Richter strafen Sachsen-Anhalt ab (1) (5.8.2021).
SR steht zum Tarifvertrag (26.2.2021).
Ab 2022 wird am Programm gespart (15.2.2021).
Gekündigte Tarife, geblockter DAB+-Ausbau (6.2.2021).

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